FJE Bericht

Die Gemeinde der Westend-Synagoge in Frankfurt lud zusammen mit dem Forum Junger Erwachsene der Gesellschaften für christlich-jüdische Zusammenarbeit und dem Rat der Religionen sowie ESG und KHG zum 80. Jahrestag der Programnacht, am 06.11.2018, zur Veranstaltung "Erinnern für eine gemeinsame Zukunft – Begegnung mit der jüdischen Gemeinde Frankfurt" ein. Rund einhundert interessierte, zumeist junge Teilnehmer aus den Universitäten und Schulen der Region, nahmen die Chance war, sich im beeindruckenden Gebetsraum der Westend-Synagoge über die jüdische Gemeinde in Frankfurt zu informieren und der außergewöhnlichen Lebensgeschichte von Trude Simonsohn, einer Zeitzeugin des Holocaust, zu lauschen.

Nach den einleitenden Worten des DKR- Generalsekretärs Rudolf W. Sirsch, der die Relevanz des christlich-jüdischen Austausches und das Verständnis füreinander herausstellte, vermittelte Rabbiner Julian-Chaim Soussan einen Einblick in die bewegte Geschichte des Judentums und die Regeln und Riten der Religion. Dabei ging er auch auf die besondere Beziehung der Juden zur Stadt Frankfurt und das heutige Gemeindeleben ein. Er hob hervor, dass er sich insbesondere freue, dass einige Teilnehmer der Veranstaltung muslimischen Glaubens seien und dass gegenseitiges Interesse und Offenheit für Unbekanntes die Grundvoraussetzungen seien, um Gemeinsamkeiten erkennen und ein gutes Miteinander garantieren zu können. Danach beantwortete Rabbiner Soussan noch die Fragen der Teilnehmer, die sich um die verschiedenen Ausrichtungen des jüdischen Glaubens, um die Stellung der Frau im Judentum und um das Gemeindeleben drehten.

Nach einer kurzen Pause, die für die Einnahme eines kleinen Snacks und Gespräche zwischen den Teilnehmern genutzt wurde, berichtete die 97-jährige Trude Simonsohn zusammen mit Ihrer Freundin Elisabeth Abendroth von ihrem bewegten Leben. Sie erzählte von Ihrer schönen Kindheit im Tschechischen Olmütz und Ihrer Begeisterung für das Turnen und Skifahren, Ihr Sprachtalent und wie sie sich als Jugendliche wünschte Ärztin zu werden und nach Palästina zu gehen. Erst in ihrer Zeit auf dem Gymnasium bekam sie mit, wie sich das politische Klima in Europa langsam veränderte und welch einen Hass die Menschen den Juden entgegenbringen konnten. So fühlte sie sich als Tschechin mit jüdischer Religionszugehörigkeit, doch sie sollte erfahren, dass sie nur noch als Jüdin und nicht mehr als tschechische oder gar deutsche Staatsangehörige gelten sollte. Elisabeth Abendroth und Trude Simonsohn ließen gemeinsam an Frau Simonsohns Erinnerung, an die Abtransporte und das Leben im Ghetto und im Konzentrationslager teilhaben. Sie betreute dort junge Mädchen. Frau Simonsohn unterrichtete sie, spielte mit ihnen und versuchte ihr Leben, in Angesicht der prekären Situation und der traumatischen Ereignisse, so normal wie möglich zu gestalten. Die Gemeinschaft der im Konzentrationslager Inhaftierten bemühte sich einen wissenschaftlichen und kulturellen Austausch zu ermöglichen. Es wurden Vorträge gehalten, Konzerte gegeben und auch ein Kindertheaterstück aufgeführt. Doch die Lebenssituation war menschenunwürdig, das Essen extrem rationiert und man lebte in der beständigen Angst, bekannte Namen auf einer der Abtransportlisten vorzufinden. Viele von Trude Simonsohns Familienangehörigen und Weggefährten sollten den Holocaust nicht überleben. Doch angesichts der Schreckensjahre hatte sie selbst das ungeheure Glück das Ghetto Theresienstadt sowie das Konzentrationslager Merzdorf zu überleben, ihren Mann Berthold Simonsohn in dieser Zeit kennenzulernen und nach der Befreiung mit ihm ein neues Leben aufbauen zu können.

Frau Simonsohns Schilderungen ihrer Lebensgeschichte bestürzten die Zuschauerschaft, unterstrichen aber auch, dass man schicksalhaften Situationen mit Überlebenswillen und Hoffnung entgegentreten sollte. Zudem machte sie den Teilnehmern Mut, gerade in der heutigen Situation des wieder aufflammenden Antisemitismus, Gesicht zu zeigen und sich für ein gutes und friedliches Miteinander einzusetzen.