Eröffnung der Woche der Brüderlichkeit 2022

Ansprache zur Eröffnung
der Woche der Brüderlichkeit 2022

06. März 2022


Osnabrück


Friede sei mit euch hier. Und mit allen Menschen

Ansprache zur Eröffung der Woche der Brüderlichkeit 2022 von Rabbiner Andreas Nachama, jüdischer Präsident des Deutschen Koordinierungsrates der Gesellschaften für christlich-jüdische Zusammenarbeit am Sonntag, 6. März 2022, in Osnabrück

- Es gilt das gesprochene Wort -

Als wir über das das diesjährige Motto für unsere Woche der Zusammenarbeit zwischen Menschen unterschiedlicher Wege zu Gott diskutierten, meinten wir, dass Spielregeln, menschlicher Respekt  und die Achtung vor dem Mitmenschen, sei er Jude, sei sie Christin, oder Muslim und Muslima, Mitglied einer anderen Religionsgemeinschaft oder säkular eine Selbstverständlichkeit sein sollte.

Und diese Selbstverständlichkeit in den Mittelpunkt zu stellen, ein Jahr lang,  ausgehend von dieser Startwoche in den Programmen der über 80 Gesellschaften für christlich-jüdische Zusammenarbeit  in den jährlich über 3000 Veranstaltungen dieser großen Bürgerinitiative, d a s  wollten wir – und, ja d a s  werden wir.

Woche der Brüderlichkeit?
Jetzt aber mitten im Krieg zwischen sogenannten „Bruderländern“  - nur etwas mehr als zwei Flugstunden von hier.
Das Kriegsgeschehen ist so nah wie Rom, die ewige Stadt – man müsste sagen: das ewige Kriegsgeschehen, das wir Menschen – wir Geschwister – offenbar eben nicht vermeiden können.

Und überhaupt, müsste es im heutigen Bemühen um inklusive Sprache unserer Tage nicht heißen:
Woche der Geschwisterlichkeit?

Dem Deutschen Koordinierungsrat der Gesellschaften für Christlich-jüdische Zusammenarbeit ist klar, dass unsere Betitelung klassisch geworden ist – wir überlegen, ob ein zeitgemäßes Gepräge möglich wird – wie wir das machen? Auch klassisch: “wenn ich nicht mehr weiter weiß, gründe ich einen Arbeitskreis“. Den haben wir getan und zu gegebener Zeit werden wir wissen,  geht es zeitgemäßer oder bleibt es klassisch.

Aber in solchen schweren Stunden des Krieges, wie wir sie jetzt erleben, gibt es nicht nur eine christlich-jüdische Zusammenarbeit oder Geschwisterlichkeit, sondern Grund genug, dass alle Menschen, Juden, Jüdinnen, Christen und Christinnen, Musliminnen und Muslime und auch Säkulare gemeinsam beten:

שלום עליכם
עליכם שלום
Friede sei mit euch hier.
Und mit allen Menschen.
Fern und nah!

Wir beten hier gemeinsam.
Wir hoffen hier gemeinsam.
Dass es gelingen möge, Frieden zwischen allen Menschen walten zu lassen.

Im Psalter  lesen wir:

יְיָ עֹז לְעַמֹו יִתֵן,
יְיָ יְבָרֵךְ אֶת עַמֹו בַשָלֹום.
Der Ewige gibt allen Menschen guten Willens Kraft,
der Ewige segnet alle Menschen guten Willens
mit  –  שלום – Frieden.

Frieden –  שלום - ist in der hebräischen Sprachwelt – nicht nur Frieden, der bis zur Grenze reicht – bis zum "Einfrieden" gedachten Zustand, sondern schließt auch immer diejenigen ein, die jenseits der Grenze leben, denn das Zelt des Friedens beschützt nicht nur das Diesseits der jeweiligen Grenze, sondern reicht herüber zum Jenseits der jeweiligen Grenze.

Frieden – herrscht in den Himmelhöhen bei IHM und ein Abbild dieses himmlischen Friedens erbitten wir von IHM aus den Himmelhöhen hier unten auf der Erde.

Im Sinne dieses allumfassenden Friedens bitten wir in dieser Stunde:

Für Frieden im Osten unseres Kontinents!
Und wir bitten für alle Opfer,
für die Verletzten aller Seiten
und für die, die ihr Leben lassen mussten:
Ewiger, birg sie in der friedlichen Geborgenheit Deiner Schwingen in Ewigkeit –
Gib allen überlebenden Opfern Kraft für ein Leben in Frieden
Lass alle Menschen guten Willens Teil haben an Deinen Frieden:
Hier auf unseren Kontinent
und wo immer Frieden erfleht wird in der ganzen Welt:
ופְרֹוש עָלֵינּו סֻכַת שְלֹומֶך
Breite über uns das Zelt deines Friedens aus.

Rabbiner Stein hat uns gelehrt, warum es Tradition ist, vor der letzten Zeile z.B. des 18-Bitt-Gebetes, in dem eben von Frieden gesprochen wird, drei Schritte zurückzugehen, denn nur wenn man auch seine Position verändert, kann man zum Frieden beitragen. Mögen die, die über die Beendigung des Kämpfens entscheiden, sich dies zur Devise machen.

Unser Motto für dieses Jahr - Fair play – heißt jetzt vor allem: Ende von Krieg
Jeder Mensch zählt – ist Ende von kriegerischen Mitteln!

Und in diesem Sinn ist die Woche der Brüderlichkeit 2022 eröffnet!