Diplomatie des Vertrauens. Über die Rolle der Wissenschaft in den Beziehungen zwischen Israel und Deutschland

Rabbiner-Brandt-Vorlesung 2012

Prof. Dr. Annette Schavan, Bundesministerin für Bildung und Forschung, MdB


 

Der israelische Schriftsteller Amos Oz hat die Beziehung zwischen Israel und Deutschland als „ambivalent, tief und verletzt, kompliziert und vielschichtig" beschrieben.

Nach der Shoah und dem Ende des Zweiten Weltkriegs mussten von Zusammenarbeit und Vertrauen geprägte Beziehungen zwischen Deutschland und Israel undenkbar erscheinen. Ein Vermerk in den frühen Pässen der israelischen Staatsbürgerinnen und Staatsbürger lautete: „Dieser Pass ist gültig für alle Länder – mit Ausnahme von Deutschland“. Nach den im deutschen Namen verübten Morden an sechs Millionen Juden schlug allen Deutschen im neugegründeten Staat Israel heftige Ablehnung entgegen.

So ist es für uns in Deutschland heute ein großes Geschenk, dass Israel und Deutschland enge und freundschaftliche Beziehungen pflegen. Die beiden Staaten arbeiten in allen wichtigen Belangen zusammen. Für den jeweils Anderen zählen sie zu den verlässlichsten Partnern und Freunden.

Deutschland ist Israels wichtigster Handelspartner innerhalb der EU. Seit 2008 treffen sich die Regierungen beider Staaten jährlich zu Konsultationen. Berlin ist heute – abseits aller Politik – ein faszinierender Anziehungspunkt für junge Israelis. Junge Deutsche zieht es nach Tel Aviv genauso wie nach Jerusalem.
Aufgrund der Geschichte wird das Verhältnis zwischen Israel und Deutschland immer ein besonderes bleiben.

I.

Das Jahr 1933 markiert das traurige Ende einer beeindruckenden Erfolgsgeschichte. In den vorangegangenen Jahrzehnten hatten Forscherinnen und Forscher jüdischen Glaubens entscheidenden Anteil an der Dynamik des wissenschaftlichen und technologischen Fortschritts in Deutschland gehabt.

Besonders gut kam diese Tradition in der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft zum Ausdruck. Ein Beleg dafür ist die – die Zeit des Nationalsozialismus überdauernde – Wissenschaftspartnerschaft zwischen der Physikerin Lise Meitner und dem Chemiker Otto Hahn. Es gab vielfache Verbindungen, die weit über wissenschaftliche Konzepte und Forschungsaktivitäten hinausgingen. Sie führten Wissenschaft und Politik eng zusammen.

Mitglieder des „Hilfsvereins deutscher Juden“ überzeugten Kaiser Wilhelm II., eine technische Universität in Haifa zu gründen, die zunächst „Anstalt für technische Erziehung“ heißen sollte. Vorsitzender der ersten deutschen Technion-Gesellschaft wurde Albert Einstein. Eine historische Aufnahme zeigt den jüdischstämmigen Nobelpreisträger und damaligen Direktor des Kaiser-Wilhelm-Instituts für Physik während einer Reise 1923 nach Palästina, wie er auf dem Campus zwei Palmen pflanzt. Einstein unterstützte Chaim Weizmann bereits seit 1920 bei dessen Plänen, eine Heimat für die Juden in Palästina zu ermöglichen. Auch die Eröffnung der Hebräischen Universität in Jerusalem im Jahr 1925 diskutierten beide intensiv miteinander.

Der in Russland geborene Chaim Weizmann wiederum, der Gründer der Hebräischen Universität in Jerusalem und erstes Staatsoberhaupt Israels bis zu seinem Tod 1952, hatte in Darmstadt und Berlin studiert. Ihm war die Hebräische Universität in Jerusalem nicht genug. Weizmann entwickelte bereits Anfang der 1930er Jahre Ideen für ein Institut, das zu einer der wichtigsten Forschungsstätten des späteren Staates Israel werden und eine tragende Rolle auch in der deutsch-israelischen Geschichte spielen sollte.

Weizmann wusste um die Bedeutung der deutschen Technischen Hochschulen und von Institutionen wie der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft; er wusste um die Bedeutung von Wissenschaft und Bildung insgesamt für den wirtschaftlichen Aufstieg Deutschlands ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. In Rehovot – der „Stadt der Zitrusfrüchte“ – wurde 1934 das Daniel Sieff-Institut eröffnet, mit dem Weizmann diese Erkenntnisse nach dem Vorbild der Kaiser-Wilhelm-Institute umsetzte. Später – und bis heute – sollte das von ihm gegründete Institut seinen Namen tragen.

1933 war das Jahr des Bruchs. Nach der sogenannten Machtergreifung der Nationalsozialisten wurde fast jeder fünfte Wissenschaftler an einer deutschen Universität entlassen. Mehr als tausend Wissenschaftler nahmen erzwungenen Abschied von Deutschland. Vermutlich emigrierten 20 Prozent der qualifiziertesten Naturwissenschaftlerinnen und Naturwissenschaftler – 25 von ihnen hatten den Nobelpreis bereits bekommen oder sollten ihn für ihre kommenden Arbeiten noch erhalten.

Besonders spürbar waren diese tragischen menschlichen wie wissenschaftlichen Verluste in der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft und an ihren Instituten: Obwohl ihr Präsident, Max Planck, sich persönlich für sie einsetzte, wurden nach 1933 insgesamt 20 der 70 Wissenschaftlichen Mitglieder der Gesellschaft entlassen oder zur Emigration gedrängt.

Viele von den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die in diesen Jahren Deutschland verlassen mussten, trugen maßgeblich zur späteren Entwicklung des Weizmann-Institutes, der Hebräischen Universität und des Technions bei – und damit zum Aufbau des jungen Staates Israel.

1948 wurde Israel gegründet, ein Jahr später wurde die deutsche Teilung durch die Gründung der Bundesrepublik Deutschland und der DDR besiegelt. Zwischen Israel und der Bundesrepublik wurde das Luxemburger Abkommen geschlossen, das Ben Gurion und Konrad Adenauer 1952 gegen heftige politische und öffentliche Widerstände in ihren Ländern durchsetzten, und das deutsche Zahlungen an Israel regelte. Die Bundesregierung zeigte damit ihre Bereitschaft, sich der Vergangenheit und den im deutschen Namen verübten Verbrechen zu stellen.

In der DDR ging man einen anderen Weg: Weil die Staatspartei SED unter Rückgriff auf eine vermeintlich antifaschistische Ideologie die DDR als „neues und besseres Deutschland“ darzustellen versuchte, um ihr so Legitimation nach innen und außen zu verschaffen, lehnte sie jegliche Verantwortung gegenüber Israel ab. Ab Mitte der fünfziger Jahre verbündete sich die DDR dann mit jenen arabischen Staaten, die Israel mit äußerster Feindseligkeit gegenüberstanden.

Zu dieser Zeit begegneten israelische Forscherinnen und Forscher vereinzelt Kollegen aus Deutschland, mit denen man früher gemeinsam im Labor gestanden hatte, auf internationalen Konferenzen. In der israelischen Gesellschaft dagegen war alles Deutsche geächtet. Es bedurfte trotz erster Annäherungen eines Wegbereiters für die Politik – oder genauer gesagt: mehrerer Wegbereiter.

Diese Rolle kam dem Weizmann-Institut und der Nachfolgerin der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft, der Max-Planck-Gesellschaft, zu. Joseph Cohn, der selbst 1933 Deutschland hatte verlassen müssen, bemühte sich als Mitarbeiter des Weizmann-Instituts besonders um diese Kooperation. Cohn strebte nicht weniger als eine Renaissance der deutsch-jüdischen Wissenschaftspartnerschaft an.

Am 1. Dezember 1959 kam eine Delegation der Max-Planck-Gesellschaft um ihren Präsidenten Otto Hahn in Israel an. Knapp zehn Tage lang bereisten die deutschen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Israel. Sie besuchten neben dem Weizmann-Institut das Technion in Haifa und die Jerusalemer Hebräische Universität. Gemeinsam mit ihren israelischen Gastgebern legten sie den Grundstein für die deutsch-israelische Wissenschaftskooperation.

Hahn schrieb fünf Jahre später über den Besuch und über ein Essen bei der Witwe Chaim Weizmanns:
„Die Einladung nach Israel war erfolgt, weil man in Israel wusste, dass die Mitglieder der Delegation keine Freunde von Hitler gewesen waren. Trotzdem war unsere Gruppe am Anfang dieser Zusammenkunft mit Frau Weizmann vielleicht etwas gehemmt. Aber durch die geistige Aufgeschlossenheit und menschliche Wärme von Frau Weizmann wurden wir alle völlig frei und unbefangen und das Essen verlief in herzlicher und unbefangener Atmosphäre.“

Auf beiden Seiten hatte es Vorbehalte und Widerstände gegeben. Und beide Seiten entschieden sich, der anderen zu vertrauen und einen Neubeginn zu wagen. Ein langer Versöhnungsprozess nahm seinen Anfang. Die „Diplomatie des Vertrauens“ setzte ein.

Sechs Jahre später nahmen die Bundesrepublik Deutschland und Israel zwischenstaatliche Beziehungen auf.

II.

Israel ist heute ein Land der Wissenschaft. Ohne nennenswerte Bodenschätze hat es sich durch sein Engagement in Forschung und Entwicklung – ganz im Sinne Chaim Weizmanns – zu einer der führenden Wissenschaftsnationen der Welt entwickelt. Nirgendwo sonst gibt es eine so hohe Zahl von Akademikern im Verhältnis zur Bevölkerung wie in Israel. 4,4 Prozent des Bruttoinlandsproduktes investiert Israel in Forschung und Entwicklung – einer der höchsten Anteile aller OECD-Staaten.

Deutschland kann viel von Israel lernen, doch vor allem können wir von jener Begeisterung für die Wissenschaft lernen, die in Israel überall spürbar ist.

Die deutsch-israelische Zusammenarbeit in Forschung und Technologie ist so intensiv wie nie zuvor.

Dies ist erstens in den etablierten Instrumenten und Institutionen begründet, die zu wichtigen Säulen in unseren Wissenschaftsbeziehungen geworden sind: In zwei Jahren feiert die Minerva-Stiftung ihr 50-jähriges Jubiläum. Sie fördert mit Mitteln des BMBF deutsch-israelische Forschungskooperationen. Wissenschaftler der Max-Planck-Institute und des Weizmann-Instituts arbeiten heute mit diesem finanziellen Rückhalt in rund 50 Forschungsprojekten zusammen.

Es gibt nur wenige Adressen in der Welt, die eben den Auftrag haben, der das Weizmann-Institut und die Max-Planck-Gesellschaft noch heute eint: Grundlagenforschung auf allerhöchstem Niveau zu fördern.

Seit 1975 bestehen in besonders zukunftsweisenden Forschungsgebieten Minerva-Zentren an den israelischen Universitäten und dem Weizmann-Institut. Auch die Deutsch-Israelische Stiftung für Wissenschaftliche Forschung und Entwicklung (German-Israeli Foundation, GIF) leistet mit ihren Förderprogrammen einen substantiellen Beitrag zum Ausbau dieser Zusammenarbeit.

Zweitens entwickeln wir diese Zusammenarbeit im Geist des gegenseitigen Vertrauens konsequent weiter. In der zivilen Sicherheitsforschung kooperieren wir seit 2008 mit Israel. Dieses Programm betrifft Themen der nationalen Sicherheit und des Umgangs mit Krisensituationen. Und wir arbeiten in so wichtigen Zukunftsbereichen wie Biotechnologie und Wassertechnologie zusammen.

Allein die sensible Natur dieser Felder ist bezeichnend für den engen Charakter der deutsch-israelischen Forschungskooperation.

Mittlerweile geht unsere Zusammenarbeit über den bilateralen Rahmen hinaus: Deutschland und Israel sind enge Partner des 7. Forschungsrahmenprogramms der Europäischen Union. Dies zeigt auch, welch intensive Entwicklung die Verbindungen zwischen der EU und Israel seit dem Assoziierungsabkommen von 1995 durchlaufen haben.

Als eine weitere bilaterale Initiative fand im Juni 2011 das 1. Deutsch-Israelische Forum zur Forschungskooperation in Aachen statt, das sich mit dem nachhaltigen Wassermanagement beschäftigte. Und schon bei dem ersten Forum zeigte sich: Dieses Forum hat das Potential, der deutsch-israelischen Forschungszusammenarbeit neue Impulse zu verleihen.

Besonders wichtig ist die gemeinsame Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses. Hier erwachsen Verbindungen, die das deutsch-israelische Verhältnis ganz persönlich und langfristig prägen. Die Beteiligung der jungen Generation ist die beste Garantie für die erfolgreiche Fortsetzung unserer Kooperation in Forschung, Technologie und Bildung.

Im Februar 2010 haben wir dafür in Erinnerung an den großen Religionsphilosophen den Stiftungsfonds Martin-Buber-Gesellschaft der Forschungsstipendiaten in den Geistes-, Kultur- und Sozialwissenschaften an der Hebräischen Universität in Jerusalem eröffnet. Mit ihm fördern wir den interdisziplinären und interkulturellen akademischen Dialog zwischen außergewöhnlich begabten Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern aus Israel und Deutschland.

Auch hier verbindet sich die Geschichte mit der Zukunft: Der Namensgeber Martin Buber unterzeichnete bereits 1905 einen Aufruf für die Gründung einer Universität in Jerusalem, deren Lehrsprache das Hebräische sein sollte.

Nach seiner Zwangsemeritierung im nationalsozialistischen Deutschland übernahm er schließlich 1938 an der Hebräischen Universität Jerusalem eine Professur für Sozialphilosophie.

Das stetig wachsende Interesse junger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auf beiden Seiten an den Forschungsstipendien dieses jungen Programms ist ein Anlass zur Freude und eine schöne Bestätigung unserer gemeinsamen Bemühungen.

Ebenso erfreulich ist die in den vergangenen Jahren stark gestiegene Bedeutung der Jüdischen Studien in Deutschland und ihre wissenschaftliche Strahlkraft in die Welt hinaus. Mein Haus wird diese äußerst positive Entwicklung in Zukunft besonders unterstützen.

Die traditionsreichste Einrichtung ist natürlich die Heidelberger Hochschule für Jüdische Studien, die vom Zentralrat der Juden getragen wird und staatlich anerkannt ist. Und das im Mai eröffnete Zentrum Jüdische Studien Berlin-Brandenburg knüpft an die große Tradition jüdischer Gelehrsamkeit insbesondere in Berlin an.

Wir folgen mit diesem Zentrum den Empfehlungen des Wissenschaftsrates, dort Zentren zu bilden, wo schon einzelne Lehrstühle und Institute bestehen – wie in der Beschäftigung mit dem Judentum an den Universitäten in Berlin und Potsdam, am Moses-Mendelsohn-Zentrum und am Abraham-Geiger-Kolleg in Potsdam. Damit stärken wir die Forschung und fördern so insbesondere den wissenschaftlichen Nachwuchs.

Die Annahme, Religion verliere ihre Bedeutung in modernen Gesellschaften, geht fehl. Religiöse Identität prägt unsere individuellen Lebenswelten – das galt für die Vergangenheit, das gilt in der Gegenwart und das wird auch in Zukunft so sein. Es ist wichtig, dass die Wissenschaft auch im Feld der Religion ihre aufklärerische Wirkung entfalten und uns die religiösen Fundamente unserer kulturellen Prägungen verstehen lassen hilft.

Es gibt für mich keinen Zweifel: Diese Einrichtungen sind eine großartige Bereicherung und ein Geschenk, für das wir in Deutschland dankbar sind. An diesen Stätten der Wissenschaft werden sich auch in Zukunft internationale Verbindungen entwickeln.

Ich freue mich über die Dynamik der gemeinsamen Initiativen in den vergangenen Jahren. Sie belegt, dass die deutsch-israelische Partnerschaft in Wissenschaft, Technologie und Forschung lebendiger denn je ist.

III.

Die Wissenschaft hat zwischen Israel und Deutschland Brücken gebaut, als auf politischer Ebene noch nicht daran zu denken war. Es ist an uns, weitere Bande zu knüpfen zwischen den wissenschaftlichen und den politischen Eliten.

Das israelisch-deutsche Beispiel zeigt sehr deutlich die verbindende Kraft einer Wissenschaft auf, die nationale Grenzen überwindet; einer Wissenschaft, die in einem stetigen Veränderungsprozess begriffen ist, die interdisziplinär verstanden wird und die nach Internationalisierung strebt.

Heute spüren wir, wie die gewaltigen wissenschaftlich-technologischen Umwälzungen der vergangenen Jahrhunderte unsere Welt scheinbar kleiner gemacht und uns alle auf dieser Erde näher zusammengeführt haben. Es wäre unter diesen Vorzeichen ein großer Fehler, sich voneinander abzuschotten und nur den – vermeintlichen! – eigenen Vorteil im Blick zu haben.

Es geht nicht um Gewinn oder Verlust. Wir brauchen Zusammenarbeit in der Wissenschaft zum Wohl Aller, weil wir alle vor denselben Herausforderungen stehen.

Den großen Fragen unserer Zeit – Klimawandel, nachhaltige Formen der Energieversorgung, Bekämpfung von Hunger, Armut und Krankheiten – können wir nur wirkungsvoll begegnen, wenn wir kooperieren und auch für Andere und gegenseitig Verantwortung übernehmen.

Dieser Prozess ist weit fortgeschritten: Die staatliche, wirtschaftliche und gesellschaftliche Vernetzung ist hochkomplex. Sie löst Ängste aus, in Europa wie in vielen anderen Teilen der Welt. Sie bietet uns gleichzeitig aber ungeahnte Chancen, wenn wir uns auf diese Veränderungen einlassen und die Schwierigkeiten annehmen, die mit ihnen einhergehen.

Letztlich geht es um die Frage: Wollen wir Getriebene dieses Wandels sein, oder wollen wir ihn gestalten? In Deutschland nehmen wir diese Herausforderung an. Israel ist uns dabei ein inspirierendes Beispiel: Wir müssen die eigenen Stärken im weltweiten Innovationswettbewerb, der heute auch von neuen leistungsstarken Akteuren wie z.B. China, Indien oder Brasilien geprägt wird, weiter ausbauen.

Eine wirksame Wissenschaftspolitik kann deshalb heute nur international orientiert sein. Die Bundesregierung tut viel dafür, der deutschen Forschung den Zugang zu globalen Exzellenzzentren und Hightech-Märkten – wie Israel – zu erleichtern. Enorm wichtig sind die Präsenz deutscher Hochschulen und Forschungsinstitute sowie eigenständige deutsche Hochschulen und Forschungseinrichtungen in strategisch wichtigen Zielländern – wie Israel.

Eine globalisierte und wissensbasierte Wirtschaft stellt besondere Anforderungen an Wissenschaftspolitik. Wissenschaftspolitik hat eine Schlüsselfunktion im Getriebe internationaler Politik erlangt.

Sie lässt sich nicht isoliert von anderen Politikfeldern betrachten, sondern sie bedarf einer strategischen Abstimmung mit anderen Ressorts. Wollen wir als Gesellschaft in „erneuerter Jugendkraft vorwärts schreiten“, wie der Kosmopolit und Forschungsreisende Alexander von Humboldt schrieb, müssen wir seinem Rat folgen und Wissenschaft mit der Wirtschaft und allen angrenzenden Feldern in Austausch bringen.

Wir wissen sehr genau: Wissenschaft ist ein unverzichtbarer Dialogpartner der Politik. Kompetente politische Entscheidungen im Angesicht globaler Fragen sind auf wissenschaftliche Expertise angewiesen. Die Qualität wissenschaftlicher Forschung steigt mit dem Grad internationaler Kooperation. Folglich geht das gemeinsame internationale Forschungsinteresse über die nationalen Einzelinteressen hinaus.

Wir brauchen deshalb eine gemeinsame Forschungsagenda, um Kräfte und Kompetenzen zu bündeln und neue Lösungswege für globale Herausforderungen zu erkunden. Dazu gehört im weiteren Sinne auch, unsere nationalen Bildungsstrategien auf internationaler Ebene zu koordinieren.

Es gilt also, eine Balance zu finden zwischen nationalen Interessen einerseits und internationaler Partnerschaft und globalem Wissensgewinn andererseits. Wir sind bereit, unseren Beitrag dazu zu leisten.

Die „Diplomatie des Vertrauens“ hat Israel und Deutschland einander nahe gebracht und ihnen eine Partnerschaft zu beider Seiten Wohl ermöglicht. In Schwellen- und Entwicklungsländern gibt es noch immer Vorbehalte gegenüber den Industrienationen, die auch in einer unheilvollen Geschichte wurzeln – einer Geschichte, die durch Fremdbestimmung und Ausbeutung durch Mächtigere belastet ist.

Hier müssen wir um Vertrauen werben, und wir können dies tun, indem wir klar sagen: Wir, die Hochtechnologie-Länder, stehen zu unserer globalen Verantwortung. Und indem wir ganz klar sagen: Unsere Hand ist ausgestreckt.

Dabei müssen auch diesmal Wissenschaft und Forschung eine zentrale Rolle spielen – und werden vielleicht erneut Wegbereiter für Partnerschaften auf Augenhöhe sein.

Meine Damen und Herren, wenn wir in Deutschland von Israel lernen können, was den hohen Stellenwert von Forschung betrifft, so kann die deutsch-israelische Zusammenarbeit möglicherweise Vorbild für Andere sein und Impulse geben weit über unsere Kooperation hinaus.

Deutschland steht fest an Israels Seite. Unsere Beziehungen werden besondere Beziehungen bleiben. Wir treten für unsere gemeinsamen Werte ein – für Freiheit und für Demokratie. Uns verbinden die Verantwortung für die Geschichte und die Versöhnung, die wir erfahren durften.

Wir sind dankbar für die so besondere deutsch-israelische Freundschaft. Wir sind dankbar für das Vertrauen, das uns Israel geschenkt hat seit jenen Tagen, als eine kleine Gruppe von Wissenschaftlern aus Deutschland das Land besuchte.


Es gilt das gesprochene Wort!