Stellungnahme
OFFENER BRIEF
An das Darmstädter Friedensbündnis
Bad Nauheim, den 6. Januar 2025
Sehr geehrter Herr Franke,
sehr geehrte Damen und Herren,
derzeit wird man von Vorgängen in Darmstadt von einer Fassungslosigkeit in die andere gestürzt. Mussten wir zunächst entsetzt zur Kenntnis nehmen, dass auf dem Weihnachtsmarkt der Michaelsgemeinde Symbole der palästinensischen Terrororganisation Hamas präsentiert wurden, so müssen wir nun gleichfalls entsetzt zur Kenntnis nehmen, dass Sie in Ihrem „Offenen Brief“ diesen Vorgang versuchen, herunterzuspielen und schönzureden.
Sie kritisieren alle, die versuchen, den Skandal vom Weihnachtsmarkt ernst zu nehmen und die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. Eine Kritik an der Gruppe „Darmstadt4Palestine“ üben Sie nicht, obwohl diese doch für den ganzen Vorfall verantwortlich ist.
Im Kern geht es aber eben um die Auslagen der Hamas-Symbole durch „Darmstadt4Palestine“. Es scheint Ihnen als „Friedensbündnis“ offenbar kein Problem zu sein, dass hier Zeichen einer Terrororganisation auf einem Darmstädter Weihnachtsmarkt ausgelegt werden. Und merkwürdigerweise erscheint der Name der palästinensischen Terrororganisation Hamas überhaupt gar nicht in Ihrem „Offenen Brief“.
Stattdessen versuchen Sie, in einen generellen Diskurs zu Nahost auszuweichen.
Sie sagen: „So kann die Parole ‚From the river to the sea, Palestine will be free‘ und auch die Darstellung einer entsprechenden Landkarte für die Forderung nach einer Einstaatenlösung stehen.“ Sicher „kann“ dies so gesehen werden. Aber eben auf dem Weihnachtsmarkt standen nun einmal Parole und Landkarte im Kontext von Hamas. Und in diesem Kontext steht die Interpretation von Parole und Karte fest: Es geht um eine Israel-eliminatorische Perspektive. Wir nehmen an, Sie kennen die Charta der palästinensischen Terrororganisation Hamas, die ja nun diesbezüglich eindeutig ist: Es geht Hamas um die Vernichtung Israels.
In der Verteidigung der Parole „Never again for everyone“ schreiben Sie: „Die Palästinenserinnen und Palästinenser müssen das Recht haben, aus der deutschen Vergangenheit Forderungen abzuleiten, die ihr eigenes Volk betreffen.“ In dieser Optik erscheinen Palästinenser allein als Opfer. Tatsächlich aber haben palästinensische Terroristen der Hamas am 7. Oktober israelische Ortschaften überfallen und dort ein unvergleichbar grausames Massaker angerichtet. Dies war das schlimmste Pogrom an Juden seit dem Holocaust und es geschah vor unser aller Augen. Der andauernde Krieg gegen Hamas ist eine Folge dieses Terrorangriffs. Natürlich muss niemand allen Entscheidungen der gegenwärtigen israelischen Regierung und jeglichem Handeln des israelischen Militärs zustimmen. Aber dass Sie so gar nicht nachvollziehen können, dass im Kontext des derzeitigen von der palästinensischen Hamas ausgelösten Konflikts die Parole „Never again for everyone“ als eindeutige Relativierung des Holocausts wahrgenommen wird, ist nun wieder für uns nicht nachvollziehbar.
Sie möchten gerne „die israelische Politik gegenüber den Palästinensern als Genozid … bezeichnen“. Sicher wissen Sie, dass Südafrika ein Verfahren vor dem internationalen Gerichtshof gegen Israel wegen Verstoß gegen die Völkermordkonvention eingeleitet hat. Das Verfahren ist in der Sache noch nicht entschieden. Was verleitet Sie denn dazu, sozusagen als selbsternannte Richter hier bereits Vorverurteilungen vorzunehmen?
Ja, es ist absolut entsetzlich, wie viele Palästinenserinnen und Palästinenser in Gaza in diesem furchtbaren Krieg ums Leben kommen, darunter offenbar unerträglich viele Kinder. Wir hoffen inständig, dass dieser Krieg bald überwunden werden kann. Dabei ist auch klar: Würde Hamas die israelischen Geiseln aus ihrer brutalen Haft entlassen und den Beschuss Israels einstellen, könnte ein Ende der furchtbaren Kampfhandlungen umgehend erfolgen.
Sie möchten gerne erwirken, dass „die militärische, diplomatische und politisch-propagandistische Unterstützung der israelischen Politik durch Deutschland“ „endlich aufhört“. Israel wurde wie gesagt am 7. Oktober 2023 durch die palästinensische Terrorgruppe Hamas mit einem grausamen Massaker überfallen. Nach wie vor befinden sich ca. 100 israelische Geiseln in der brutalen Haft der Hamas. Die palästinensische Terrororganisation greift Israel auch weiterhin mit Raketen und anderen Waffen an.
Die libanesische Hisbollah hat seit Oktober 2023 über Monate hinweg Israel täglich mit Raketen beschossen. Über 60.000 Menschen mussten aus dem Norden Israels nach Süden in Sicherheit gebracht werden. Das Alltagsleben im israelischen Norden wurde zerstört. Israel hat durch militärische und geheimdienstliche Operationen Hisbollah erheblich geschwächt, sodass es zu einem Waffenstillstand an dieser Front kam. Der ist zwar brüchig, hält aber derzeit im Prinzip.
Iran hat nach dem letzten israelischen Vergeltungsangriff eine „harte und endgültige“ Antwort angekündigt, diese aber nun in Anbetracht des Waffenstillstands mit Hisbollah auf unbestimmte Zeit verschoben. Die Huthis greifen Israel weiterhin regelmäßig mit Raketen an.
So, und in dieser Situation fordern Sie jetzt, dass Deutschland seine Unterstützung für Israel einstellen soll. Das wäre dann eine Haltung der bereitwilligen Preisgabe Israels an dessen Feinde, die Israel mit Gewalt überziehen oder solche androhen. Wir halten eine solche Haltung für zutiefst unverantwortlich.
Als Deutscher Koordinierungsrat der Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit stehen wir für Dialog und Zusammenarbeit – auch im Nahen Osten. Im Konflikt zwischen Palästinensern und Israelis muss ein Weg gefunden werden, der das Recht beider zum Leben im Bereich östlich des Mittelmeeres respektiert und der darauf zielt, Hass und Gewalt zu überwinden. Eliminatorische Konzepte führen nicht zu einer friedlichen Koexistenz. Zur Überwindung solcher Konzepte setzen wir uns ein und dafür wollen wir streiten.
In anhaltender Fassungslosigkeit grüßen,
Dr. Margaretha Hackermeier, Katholische Präsidentin
Rabbiner Prof. Dr. Andreas Nachama, Jüdischer Präsident
Pfr. i.R. Friedhelm Pieper, Evangelischer Präsident