"Nun gehe hin und lerne" - Es gibt noch viel zu lernen

Begrüßung des evangelischen Präsidenten des Deutschen Koordinierungsrates Pfarrer Friedhelm Pieper und Eröffnung der Woche der Brüderlichkeit in der Paulskirche zu Frankfurt/M.


Ich freue mich, Sie alle hier im Namen des Deutschen Koordinierungsrats der Gesellschaften für christlich-jüdische Zusammenarbeit begrüßen zu können! Herzlich willkommen zu dieser Zentralen Eröffnungsfeier hier in der Paulskirche in Frankfurt!

Vor zwei Jahren - in 2015 - stand im Mittelpunkt unserer Eröffnungsfeier damals in Ludwigshafen: das 50jährige Jubiläum von „Nostra Aetate“. Eine Erinnerung an jene bahnbrechende Erklärung des Zweiten Vatikanischen Konzils, die nicht nur ein Meilenstein für das katholisch-jüdische Verhältnis bedeutet, sondern auch darüber hinaus den christlich-jüdischen Dialog weltweit bereichert und gefördert hat.

In diesem Jahr 2017, dem Jahr des Reformationsjubiläums, stehen nun insbesondere die protestantisch-jüdischen Beziehungen im Focus unserer Dialogarbeit. Wo stehen wir heute  im Verhältnis der protestantischen Kirchen zum Judentum - heute, 500 Jahre nach dem Beginn der deutschen Reformation? Das ist nicht nur eine historische Frage von erheblichem Gewicht, das ist auch eine höchst brisante und theologisch sehr herausfordernde Frage! Es geht entscheidend darum, im Gedenken an die deutsche Reformation und im Feiern des Reformationsjubiläums das antijüdische Erbe der Reformation und insbesondere Martin Luthers nicht zu verdrängen, sondern sich damit klar und deutlich auseinanderzusetzen. Und es geht darum, die Bemühungen im Protestantismus um die Erneuerung der Beziehungen zum Judentum zu würdigen. Und es geht auch darum, die noch unerledigten Aufgaben für die künftige Weiterarbeit zu benennen.

„Nun gehe hin und lerne“

Mit diesem Jahresthema will der Koordinierungsrat zweierlei verdeutlichen: es ist in den letzten 70 Jahren eine gute Ausgangslage geschaffen worden in den christlich-jüdischen Beziehungen und eben auch speziell in den protestantisch-jüdischen Beziehungen. Und zugleich sehen wir: es gibt noch viel zu tun, es gibt noch viel zu lernen, es sind noch neue Wege zu gehen, wir sind beileibe noch nicht am Ziel. --- Seit dem Holocaust, seit der Schoah, seit dem Erschrecken über die eigene Schuldverpflochtenheit in dieses unvorstellbare Menschheitsverbrechen haben viele Kirchen - insbesondere in den westlichen Ländern - ihre Haltung zum Judentum völlig neu aufgestellt. Diese Kirchen haben die alte Lehre zurückgenommen, wonach Gott das jüdische Volk verworfen habe und die Kirche anstelle des jüdischen Volkes getreten sei. Diese alte sogenannte Enterbungslehre gilt nicht mehr. Die Kirchen haben gelernt, das jüdische Volk in seiner eigenen Identität anzuerkennen. Sie können heute theologisch anerkennen, dass es einen eigenen, jüdischen Gottesbezug gibt. Sie haben gelernt, es gibt Kirche nur neben dem Judentum, es gibt Kirche nur in Nachbarschaft zum Judentum. Das gilt sowohl in der Realität des Alltags, als auch in der theologischen Arbeit und Lehre. Ein wichtiger Lernprozess  - der sich hoffentlich auch fruchtbar auswirkt auf den weiteren interreligiösen Dialog mit Muslimen und Vertretern anderer Glaubensgemeinschaften. Ein wichtiger Lernprozess – bei weitem noch nicht abgeschlossen. Noch in seinen Konsequenzen weiter durchzuarbeiten in theologischer Forschung und Lehre, noch in seiner Bedeutung stärker aufzunehmen in der Ausbildung von Geistlichen sowie von Lehrerinnen und Lehrern, noch in seiner Rezeption in der Breite der Gemeinden zu fördern und zu stärken.

Dieser Lernprozess zur Erneuerung der protestantisch-jüdischen Beziehungen ist in Deutschland in entscheidendem Maße von Mitgliedern der Konferenz Landeskirchlicher Arbeitskreise Christen und Juden vorangetrieben und profiliert worden. Sie haben maßgebend zur Neuorientierung im Verhältnis von Christen und Juden in der evangelischen Kirche in Deutschland beigetragen. Und sie arbeiten an den unerledigten Aufgaben zur weiteren Vertiefung und breiteren Rezeption dieser Neuorientierung. Wir freuen uns, dieses jahrzehntelange Engagement heute mit der Buber-Rosenzweig-Medaille auszeichnen und würdigen zu können! Und so möchte ich besonders begrüßen: den Vorsitzenden der Konferenz, Prof. Dr. Klaus Müller, zusammen mit den weiteren Mitgliedern des Vorstands und der gesamten Konferenz, der sog. KLAK! Herzlich willkommen hier in der Paulskirche! - Ich freue mich ganz besonders, dass Rabbiner Dr. Henry Brandt heute die Laudatio auf die Konferenz der landeskirchlichen Arbeitskreise halten wird. Ich freue mich, dass ich ihn heute besonders begrüßen kann: als Ehrenvorsitzenden des Deutschen Koordinierungsrates. Herzlich willkommen!

Damit sind wir nun bei der Eröffnung der diesjährigen Woche der Brüderlichkeit angelangt: Meine sehr geehrten Damen und Herren, es ist mir ein große Freude und eine Ehre die Woche der Brüderlichkeit 2017 zu eröffnen! Ich danke Ihnen.