Eingebaute Judenfeindschaft – Zum Umgang mit antisemitischen Motiven an und in Kirchen

Studientagung

16. – 17. Juni 2023


Gustav-Stresemann-Institut
Bonn


Seit einigen Jahren wird verstärkt über den Umgang mit antijüdischen Schmähplastiken und Bildern an und in Kirchen diskutiert. Dabei steht zumeist die Sau im Fokus, die an der Wittenberger Stadtkirche angebracht ist. Sie zeigt auf obszönste Art und Weise drei Juden, die an den Zitzen des Tiers saugen sowie einen weiteren Juden, der ihm in den After schaut. Darüber findet sich die nur hier vorkommende Inschrift „Rabini Schem Hamphoras“, die direkt auf Luthers antisemitische Schrift „Vom Schem Hamphoras und vom Geschlecht Christi“ Bezug nimmt und den Namen Gottes schmäht.

Die Darstellung, die allein das Ziel verfolgt, Jüdinnen und Juden zu verspotten, zu verhöhnen und verächtlich zu machen (Isaiah Shachar), beschäftigte im vergangenen Jahr auch den Bundesgerichtshof, der gegen den Kläger entschied, dass die Skulptur nicht entfernt werden muss. Ein eingesetzter Expert:innen-Rat empfahl, die Plastik aus dem 13. Jahrhundert abzunehmen und an einem Ort in unmittelbarer Nähe im Kontext der Geschichte christlicher Judenfeindschaft auszustellen. Der Gemeinderat entschied sich 2022 jedoch dagegen, weshalb die Schmähplastik weiterhin in situ zu sehen ist.

Bereits einige Kirchenväter bezeichneten in ihren Schriften Jüdinnen und Juden sowie andere Nichtchrist:innen als Schweine. Die Sau ist eines der einflussreichsten antijüdischen Motive seit dem Mittelalter, das sich nicht nur im Kontext von Kirchen findet, sondern auch an städtischen und privaten Häusern, in Büchern, auf Flugblättern oder Spielkarten. Sauen und andere judenfeindliche Hass-Bilder (Rainer Kampling) wie „Ecclesia und Synagoga“ oder die Darstellung von Jüdinnen und Juden als Kinder des Teufels gibt es aber nicht nur in Wittenberg, sondern auch an und in zahlreichen anderen Kirchen. So diffamieren etwa auch in Regensburg, Erfurt, Köln, Calbe, Magdeburg, Nürnberg, Brandenburg und Wetzlar solche Bilder fortgesetzt Jüdinnen und Juden und die jüdische Religion.

In Zeiten, in denen nur die wenigsten Menschen lesen konnten, erfüllten diese Bilder an Kirchenmauern die Funktion, Botschaften an die Gläubigen zu vermitteln. Durch das „Lesen“ dieser Ikonografie sollten Christ:innen verinnerlichen, dass „der Jude“ ein Häretiker, ein Feind des Christentums und der gefährliche andere ist, was wiederum eine die Kirche nach innen stabilisierende Funktion hatte.

Da Bilder von und Sprechen über eine Menschengruppe niemals nur abstrakt in einem theologischen Rahmen verbleiben, sickerte der von diesen Motiven und Predigten ausgehende Hass auf Jüdinnen und Juden zudem in die Sphäre des alltäglichen Zusammenlebens ein. Dies trug auch dazu bei, immer weitere Hemmschwellen abzubauen, was Pogrome und andere Akte der Gewalt gegen die jüdischen Nachbar: innen ermöglichte.

Die Studientagung des Deutschen Koordinierungsrats beschäftigt sich mit dieser in Kirchengebäude und die christliche Theologie eingebauten Judenfeindschaft. Der Diskurs über diese Bilder, die Zeugnisse der judenfeindlichen Theologie ihrer jeweiligen Zeit sind, und die Frage, wie mit ihnen umgegangen werden soll, ist unter Christ:innen noch viel zu häufi g eine Leerstelle. Eine neue Theologie im Angesicht Israels und die positiven Entwicklungen in den christlich-jüdischen Beziehungen der letzten Jahrzehnte erfordern jedoch, sich mit den folgenden Fragen auseinanderzusetzen und Lösungen zu finden:

• Wann und in welchen Kontexten tauchten die Darstellungen auf?
• Wie wurden sie von Klerus und Bevölkerung rezipiert?
• Welche Rolle spielten und spielen sie in der Geschichte des christlichen Judenhasses?
• Wie kann heute in Kirchen Gottesdienst gefeiert und gebetet werden, an denen die jüdischen Geschwister fortgesetzt beleidigt werden?
• Wie soll mit diesen Plastiken und Bildern umgegangen werden?
• Welche Handlungsmöglichkeiten gibt es?
• Welche positiven Bilder können an Stelle dieser Schmähungen treten?

Über diese und andere Fragen möchten wir bei der Studientagung mit ausgewiesenen Expert:innen und Ihnen sprechen.

Teilnahmegebühr Studientagung: 20 Euro pro Person
plus ggf. Übernachtung/Verpflegung (Auswahl geschieht über den Anmeldelink im Tagungsflyer)

Ausführliche Informationen zu Programmablauf, Themen und Referenten, sowie Anmeldung im
Tagungsflyer