Themenheft online 2015: "Im Gehen entsteht der Weg. Impulse christlich-jüdischer Begegnung"

“Im Gehen entsteht der Weg“

Wege und Weggefährten im christlich-jüdischen Dialog. Ein persönlicher Reisebericht.

Martin Stöhr


I   VORSPIEL

In dem Bauerndorf, in dem ich aufwuchs, gab es in meinem Geburtsjahr keine Juden mehr. 1929, im Jahr der Weltwirtschaftskrise, war die letzte der zwei Familien in die nächste Stadt weggezogen. Geblieben war ein einfaches Bethaus, leer und unbenutzt. Am 10. Nov. 1938 rief mein Vater, Pfarrer und Mitglied der Bekennenden Kirche (BK), bestraft, weil er die Hakenkreuzfahne nicht rausgehängt hatte, den örtlichen HJ-Führer an (er war von ihm einst konfirmiert worden): „Heiner, dass damit der Judenschule nichts passiert!“. Es passierte nichts.

Die nächste Erinnerung betrifft den Pfarrer des Nachbardorfes. Er hatte in unserer Gemeinde gelegentlich im Gottesdienst zu vertreten. Auf seinem Talar war ein riesengroßes Johanniterkreuz aufgenäht, was ich als Kind zunächst für das allgegenwärtige Eiserne Kreuz hielt. Er gehörte zu einer alten Adelsfamilie, wurde durch seine einflussreiche Offiziersverwandtschaft geschützt – zwar nicht in der Pogromnacht, als man ihn, den „Nichtarier“, nachts aus dem Bett holte, schlug und ihn im Nachthemd im Wald aussetzte. Später wurde er zur Zwangsarbeit verurteilt.

Der Einbruch in unser Pfarrhaus fand eine Nacht – so meine ich mich zu erinnern - nach der Reichspogromnacht statt. Der Sechsjährige freute sich, endlich die Polizei zu erleben, wie sie Einbrecher fängt. Aber sie kam nicht. Geklaut wurden Geld und die in der Bekennenden Kirche wichtigen Bücher von Walter Lüthy, eine die Auslegung der Johannes-Offenbarung, in der die Verfolgungssituation der frühen Christenheit unter dem Gottkaiser Domitian (81-96 nChr) geschildert wird. Neben Predigten Martin Niemöller, der damals im KZ Sachsenhausen als persönlicher Gefangener des „Führers“ saß, verschwand auch das Buch des  russisch-orthodoxen Philosophen Wladimir Solojew „Der Antichrist“. Es schildert einen Welttyrannen mit einem lautsprecherischen Großmaul, als Hitler und Goebbels erkennbar. Dazu eine sich mehrheitlich anpassende Christenheit, von denen nur ein kleine Gruppe zur Begegnung mit dem Messias nach Jerusalem zieht, diejenigen, die „ihre Knie nicht vor Baal gebeugt hatten.“

Während des Krieges erschien am Küchenfenster unseres Pfarrhauses ein Mönch aus dem benachbarten Pallotiner-Kloster Arnstein. Das ev. Pfarrhaus betrat er nicht. Er überreichte meiner Mutter Gedichte von Reinhold Schneider, der später zu seiner und seiner Kirche Schande bekannte. „Am Tag des Synagogensturms hätte die Kirche schwesterlich neben der Synagoge stehen müssen. Es ist entscheidend, dass das nicht geschah.“ Dem Mönch, später im KZ ermordet,  gab meine Mutter eine abgetippte Predigt von Martin Niemöller.

Der Arzt, der alle unsere Kinderkrankheiten behandelte, kam nicht in unsere Gottesdienste. Er ließ den Vorgänger meines Vaters, einen Pensionär aus Wiesbaden, kommen, damit er im ärztlichen Wartezimmer einen „artgemäßen“ Gottesdienst im Stil der nazinahen „Deutschen Christen“ hielt. Der Kirchenvorstand der Gemeinde hatte sich mehrheitlich der BK angeschlossen.

1943 zog ich, um ein Gymnasium besuchen zu können, zu meinen Großeltern. Am Tag der Befreiung - von uns Kindern empfunden als der Tag, an dem Tieffliegerbeschuss und Bombardierungen endeten - erschien ein junger us-amerikanischer Offizier und wollte das Haus, wo meine Großeltern nur zur Miete wohnten, beschlagnahmen.  Der Offizier und mein Großvater unterhielten sich auf Latein, für mich besonders eindrucksvoll, da ich gerade meine erste Lateinarbeit in den Sand gesetzt hatte. Ob ihr lateinischer, jüdisch-christliche Dialog  dem geschliffenen Stil Ciceros entsprach, konnte ich nicht überprüfen.

Beide hatten ein humanistisches Gymnasium besucht. In dem meines Großvaters stand Englisch nicht im Lehrplan. Der Offizier musste es im Exil lernen, wohin er früh gerettet wurde. Seine ganze Familie war ermordet worden. Das erklärte er mir auf Deutsch, das er nie mehr hatte sprechen wollen, als ich ebenso fragend wie staunend dabei stand.

Die Zusammenhänge all dessen, was ich beobachtete, gingen mir erst später auf, In der Schule beschwiegen die Lehrer eisern alle Themen zur NS-Zeit, nicht aber das Elternhaus.

Dort erfuhr ich noch eine weitere Prägung, da mein Vater nach dem Krieg die Leitung eines großen Behinderten-Heimes zu übernehmen hatte. Es war 1938 von der SS beschlagnahmt worden, wurde als Durchgangsstation auf dem Weg in die staatliche Vernichtungsanstalt in Hadamar benutzt.  1945 wurde sie der Inneren Mission zurückgegeben. Noch lebten dort – hörbar! - schreiende Ängste vor den verhängten grauen Transportwagen, die Patienten abgeholt hatten, die nie wieder zurückkamen.


II  LEHRJAHRE UND LEHRER

Im Gegensatz zur Schule verdanke ich dem Elternhaus eine kritische Sensibilität, die im Studium vertieft wurde. Deshalb beginne ich mit einer knappen Erinnerung an meine Bonner Lehrer: Helmut Gollwitzer gehört neben Hans-Joachim Iwand zu den entscheidenden theologischen Lehrern. Nachdem ich nicht nur von Mainz nach Bonn, sondern auch von der Soziologie zur Theologie gewechselt war.

Die alte Mainzer Universität war durch die französische Besatzungsmacht neu gegründet worden. In allen Fakultäten dozierten zurückgekehrte, von den rasch braun gewordenen Universitäten einst vertriebene oder mit Berufsverbot belegte Wissenschaftler neben braunen Kollegen, von denen einige an den zwangsverdeutschten sog. Reichsuniversitäten Prag und Straßburg gelehrt hatten. Sie traf in der Regel kein Berufsverbot, das ihre jüdischen Kollegen 1933 vertrieben hatte.

Von Iwand und Gollwitzer lernte ich, dass die Kirche sich nur richtig, dh biblisch verstehen könne, wenn sie ihre Herkunft aus Israel positiv begreife und lebe. Wo sonst hat sie den Gott Israels und der Völker, sein Lebens-Konzept und seine Weisung mit seinen und für seine Ebenbildern, die Menschen, kennengelernt? Deshalb gehöre die tiefste Verbundenheit mit dem jüdischen Gottesvolk zum Selbstverständnis der Kirche. Das auszubuchstabieren ist eine bis heute keineswegs ausgelernte Aufgabe.

Gollwitzer und Iwand hatten mit Dietrich Bonhoeffer in der Bekennenden Kirche zusammengearbeitet. Dessen Fragment gebliebene Ethik erschien 1949. Darin fand sich die Forderung, die Schuld der Kirche, aber auch unseres Volkes, klar zu erkennen, zu benennen und bekennen, das habe zu geschehen „ohne Seitenblick auf die Mitschuldigen.“ Bereits 1941 hatte Bonhoeffer im Blick auf die Judenverfolgung geschrieben: „Die Kirche bekennt, die willkürliche Anwendung brutaler Gewalt, das leibliche und seelische Leiden unzähliger Unschuldiger, Unterdrückung, Haß, Mord gesehen zu haben, ohne ihre Stimme für sie zu erheben“ und „ihnen zu Hilfe zu eilen. Sie ist schuldig geworden am Leben der Schwächsten und Wehrlosesten, der Brüder Jesu Christi“. Und er fügt hinzu: „Denn Jesus war Jude.“[1]  

Die Gefängnisbriefe „Widerstand und Ergebung“ erschienen 1952. Iwand und Gollwitzer sagten eindeutig gegen manche heroische Darstellung des Kirchenkampfes und der BK: „Wir haben den Kirchgenkampf verloren!“. Martin Niemöller nannte als Gründe: „Wir fühlten uns als Kirche nicht verantwortlich für Menschen außerhalb der Kirche.“[2]  Niemöller hatte, obwohl in einer Predigt zur der Passionsgeschichte nicht ganz frei von Beschuldigen der Juden, in seinem letzten Vortrag, ehe er 1937 ins KZ geworfen wurde, gegen den Vorwurf an die BK Judenfreunde zu sein, darauf hingewiesen, dass er in Predigt un Unterricht doch nicht verschweigen könne, dass die Jünger wie Jesus und die Verfasser der ganzen Bibel Juden seien. Bonhoeffers Aufruf in einem Berliner Vortrag 1933 war nicht gehört worden: Man müsse den Staat kritisch nach der Legitimität seines Handelns fragen, man sei verantwortlich, nicht nur Kirchenmitgliedern zu helfen, sondern allen Opfern staatlichen Handelns. Man müsse auch dem „Rad in die Speichen fallen“ und nicht nur die Opfer von Gewalt verbinden, dh, man müsse sich am Widerstand beteiligen, damit nicht immer neue Opfer entstehen. Entscheidend sei dabei: Wie geht der Staat mit dem Recht seiner Bürger um? Gibt er ihnen zu wenig Rechte, sodass sie vogelfrei sind? Erstickt er sie mit zu viel Recht?

Iwand hatte entscheidend das sog. „Darmstädter Wort“ 1947 formuliert. Dort waren als Irrwege von Kirche und Gesellschaft benannt worden: Nationalismus, Freund-Feind-Denken, Staatsgehorsam, konservative Scheu vor Veränderungen und Mißachtung der marxistischen Anfrage nach sozialer Gerechtigkeit, die doch In der Bibel eng mit der Hoffnung auf Gottes messianisches Reich verbunden sei.

Im Blick auf die Bibel verwiesen Gollwitzer und Iwand auf die zweite Hälfte des Römerbriefes, wo der christliche Grundgedanke zu finden ist, dass  Gottes Bund mit Israel ungekündigt sei (Rö 9-11). ZU Rö 9-11 in Calvins Auslegung schrieb ich dann auch meine Examensarbeit.

 Dazu gehöre die Mahnung des Paulus, nicht überheblich gegenüber den Juden zu sein, „denn nicht du trägst die Wurzel, sondern die Wurzel trägt dich“ (Rö 11,18). In Rom zur Zeit Neros hatte sich wohl schon vorchristliche, pagane Judenverachtung breitgemacht. Deswegen fordert Paulus, der Pharisäerschüler, die winzige christliche Gemeinde ganz jüdisch und im Psalmenton auf, „den Namen Gottes unter den Völkern zu loben“ und: „Freut euch, ihr Völker mit seinem Volk!“ (Rö 15,9f). Paulus kannte diese universale Bedeutung Israels aus seiner, aus der hebräischen Bibel. Gegen Paulus hatten die Kirchen fast 2000 Jahre sich nicht mit Israel gefreut, sondern es verurteilt als überholt, als von der Kirche beerbt.

Helmut Gollwitzer war 1950 aus sowjetischer Kriegsgefangenschaft zurückgekehrt, hatte erfahren, dass seine jüdische Verlobte Eva Bildt tot war, wurde als Professor nach Bonn berufen, eine Stelle, die dem Nachfolger Martin Niemöllers in Berlin-Dahlem und Mitglied der Bekennenden Kirche vor 1945 natürlich verwehrt war. Gollwitzer hatte 1937 Redeverbot bekommen, an das er sich nicht hielt, war aus Thüringen ausgewiesen worden, wo er für die illegale Ausbildung von Vikaren der BK verantwortlich war.

Grund für die Ausweisung war eine Denunziation nach einem Bibelvortrag. Dieser war angekündigt worden mit dem Vers aus der Berufung der ersten Jünger „Nathanael sprach zu Philippus: Was kann aus Nazaret Gutes Kommen? Philippus spricht: Komm und sieh es!“ (Joh 1,46). Dagegen hatte der Denunziant erklärt: „Wir Deutsche heute lehnen es ab, dorthin ins Judenland zu gehen und zu sehen. Wir haben die Juden als unser Unglück erkannt. Wir suchen das Heil nicht mehr bei den Juden, sondern in unserem eigenen Volkstum.“[3]  Eine gründliche Erforschung der massenhaften Denunzianten steht noch aus.

Unmittelbar nach der Pogromnacht Nov. 1938 predigte Gollwitzer in Berlin über das Wort des Jesaja (Jes 40,3-5), das nach dem Evangelium des Lukas auch der Vorbote Jesu von Nazaret, Johannes der Täufer, für seine Buß-Predigt am Jordan benutzt hatte: Umzukehren und die Wege des Herren zu bereiten. Krumme Wege sollen zu graden Wegen werden. Der Prediger Gollwitzer vermutet, Johannes der Täufer würde heute als „Landesverräter und Volksschädling“ angesehen. Er eröffnet mit Fragen: „“Wer soll denn heute noch predigen? ... Was hat uns und unserem Volk und unserer Kirche all das Predigen und Predigthören genutzt, die ganzen Jahre und Jahrhunderte lang? ... Unsere Unbußfertigkeit zerbricht die Brücke zum Nächsten.“ … Der Nächste ist doch nicht der „Volks- oder Rassegenosse“, sondern ist im November 1938 der jüdische Nachbar. Er wird von Gollwitzer so beschrieben: „Du hast Schutz, er ist schutzlos, du hast Ehre, ihm ist sie genommen, du hast Familie und Freundschaft, er ist vereinsamt.“ Die Zehn Gebote, in der Eingangsliturgie verlesen und „gehört wie Hammerschläge“, zeigen den Weg der Umkehr.

Für dieses Erbe an die nächste, an unsre Generation, bin ich zutiefst dankbar. Es war eine intellektuelle und eine praktische Schule. Gollwitzer forderte uns auf, in die Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit CJZ zu gehen. Dort erlebte ich zum ersten Mal jüdische Referenten und Dialogpartner auf Augenhöhe mit anderen Dialogpartnern. Tief beeindruckt hörte ich Martin Buber, den die  Evangelisch-Theologische Fakultät 1953 eingeladen hatte. Seine Rede von der Gottesfinsternis verschärfte die Frage, wer denn das Licht Gottes in unserem Land verstellt hatte und warum unser Volk seinen jüdischen Teil in den „Schatten des Todes“ (Jes 9,1 und Mt 4,16) getrieben hat.

Leo Baeck wurde jetzt gelesen und zitiert, und nicht in der NS-Zeit zur Kenntnis genommen, als das Menschenkind Kain nicht der Hüter seines Mitmenschenkindes Abel sein wollte, sondern dessen Ermordung in aller Öffentlichkeit propagierte und exekutierte. Als Leo Baecks sein wundervolles Buch 1937 schrieb „Die Evangelien als Urkunden des jüdischen Glaubens“ erschien, lasen es Juden, aber nicht die Christen.

Ich nahm Fragen mit, die ich im Studium in Basel weiter verfolgte. Als ich Karl Jaspers zur Schuldfrage des deutschen Volkes und zur deutschen Nachkriegspolitik, zu Aufklärung und zu Lessing hörte. Im Gegensatz zu seinem Kollegen Martin Heidegger hatte er sich nicht arrangiert, sondern seinen Lehrstuhl verloren. Oder Karl Barth über seine neue Verhältnisbestimmung von Israel und Kirche und auch zur deutschen Nachkriegspolitik. Oder Walter Muschg über deutsche Exilliteratur. Deutlich wurde:  die Wurzeln der Judenfeindschaft liegen weit zurück in der christlich geprägten Kultur. Ich nenne die drei Namen, weil sie noch einmal den Horizont sowohl über die Theologie wie über Deutschland hinaus weiteten. Sie zeigten, dass zunächst im eigenen Haus der eingeschliffenen Geschichtsbilder, Schriftauslegungen und versteinerte Dogmen, die noch zu hören und zu lesen waren, kritisch zu sichten sind und, wo mit menschenfeindlichen Folgen vergiftet, auf ihren „Besitz zu verzichten“ sei. Neues war zu lernen und zwar gemeinsam mit den Lesern und Auslegern derselben Heiligen Schrift, der Hebräischen Bibel.  

Übrigens sind die gleichen kritischen Fragen zB auch Tradition und Praxis von allen Fakultäten, von Firmen, Sport- und Gesangvereinen, Ärzte- und Handwerkskammern, Schulen und Hochschulen und dergleichen Institutionen zu stellen. Sie alle schlossen Juden aus der menschlichen Gemeinschaft in Deutschland aus. Als einen Versuch zu antworten, widmete ich 1958 meinen ersten Aufsatz mit dem Titel „Luther und die Juden“ Helmut Gollwitzer zum 50. Geburtstag.

Ich darf nicht verschweigen, dass ich neben den genannten Lehrern auch andere hörte. Herbert Braun, als Neutestamentler, vertrat die These, echte Jesus-Worte seien jene, die dem jüdischen Denken widersprechen. Philipp Vielhauer schrieb. „Alter und neuer Bund sind sich ausschließende Gegensätze.“ Und der hervorragende Alttestamentler Martin Noth schloss seine „Geschichte Israels“ mit dem Jahr 135 n. Chr. ab, als die Römer den Bar-Kochba-Aufstand niedergeschlagen hatten. Noth schrieb „So endete in einem schauerlichen Nachspiel die Geschichte Israels.“ Eigene Wege mussten auch gegen solche geschichtsphilosophischen Konstruktionen, die in Uniformen christlicher Lehre daherkamen, gesucht werden.


III  ES BEWEGT SICH ETWAS

Aber neben meinen Hochschullehrern lernte ich damals von glaubwürdigen anderen Lehrerinnen, die Juden geholfen und gerettet hatten. Sie bilden die schmale Brücke, dass es zwischen Juden und Christen hierzulande überhaupt neu anfangen konnte. Stellvertretend für viele nenne ich Frau Helene Jacobs (Berlin) und Gertrud Luckner (Freiburg). Beide überlebten die KZ-Haft. Aus dem Umfeld der Dahlemer Gemeinde dürfen zB Gertrud Staewen, Fürsorgerin, Schwägerin des späteren Bundespräsidenten Gustav Heinemann oder die Gemeindehelferin, Elsie von Stryck nicht vergessen werden.

Der aus dem Exil zurückgekehrte Rabbiner Robert Raphael Geis sagte mir am Anfang unserer Zusammenarbeit: Leute wie Dietrich Bonhoeffer und Pater Alfred Delp halfen mir, nach Deutschland zurückzukommen.

1950 hatte die Synode der Ev. Kirche in Deutschland drei entscheidende Sätze für eine Neuorientierung der Kirche beschlossen: Einmal, Jesus ist Jude, stammt aus dem Volk Israel; zum anderen, Israel ist und bleibt Gottes erwähltes Volk auch nach der Kreuzigung Jesu Christi, ist also nicht durch die Christenheit abgelöst, drittens, wir sind „durch Unterlassen und Schweigen vor dem Gott der Barmherzigkeit mitschuldig geworden sind an dem Frevel, der durch Menschen unseres Volkes an den Juden begangen worden ist.“

Damit könnte auch ein schauderhaftes Wort von 1948 korrigiert werden, das 1948 der Bruderrat der Bekennenden Kirche (allerdings in Rumpfbesetzung und kurz vor seiner Selbstauflösung) verabschiedet hatte. Darin wird jedem Antisemitismus abgesagt. Es wird klar die christliche Schuld bekannt, gegenüber der rassischen und völkischen Behandlung der Juden keine Nächstenliebe geübt zu haben. Gleichzeitig werden aber auch noch einmal uralte christliche, antijüdische Denkmuster aufgewärmt: Die Juden sind schuld an der Kreuzigung, deswegen ist die Erwählung Israels auf die Kirche „übergegangen“ und deswegen ist Jesus Christus bleibend auch für Israel bestimmt. Auch in der Bekennenden Kirche lebten erschreckende Reste eines theologischen Antijudaismus.[4]  

Bis 1959 gab es einzelne christliche Gruppen, Gesellschaften für christlich-jüdische Zusammenarbeit und Einzelpersonen, die tiefer schürfend an den theologischen Grundproblemen und an der Analyse der Schuldursachen arbeiteten. Kirchenleitungen und Theologische Fakultäten hielten sich unvornehm zurück.

Gollwitzer, damals häufiger Referent in christlich-jüdischen Gesellschaften, Akademien und Gemeinden, bündelte 1959 die Doppelaufgabe auf dem Münchener Ev. Kirchentag in einem Bild: „Zwei Wegweiser“ hat die Christenheit, um neue Wege in eine humanere Zukunft zu gehen: Auschwitz und der neue Staat Israel. Gerade die christlichen Beiträge zum gedanklichen Bau der Wege, die nach Auschwitz führten, sind rücksichtslos zu untersuchen – und zu verlassen. Der zweite Wegweiser ist Israel. Das jüdische Volk lebt. Dafür stehen der neue Staat Israel und die jüdische Diaspora. Gespräch und Begegnung mit den Juden, nicht über sie, sind endlich angesagt. Ab 1959 wird die Gründung des AG Juden und Christen beim DEKT vorbereitet.  

Deshalb wird der Evangelische Kirchentag ab 1961 zum streitbaren Forum, die anstehenden Probleme kontinuierlich - bis heute - zu bearbeiten.

Bis dahin hatte es nur marginale christlich-jüdische Treffen auf allen Kirchentagen gegeben. Völlig gleichberechtigt planen und arbeiten Jüdinnen und Juden mit. Bei der Eröffnung des Gollwitzer-Vortrags 1959 erinnert für das Präsidium des DEKT Bundesbankpräsident Heinrich Troeger an seinen Pfarrer und Religionsunterricht: Sie hatten ihn imprägniert mit der Kreuzigung Jesu als jüdischer Schuld und mit einem Christentum als alleiniger Religion der Nächstenliebe.

Im Winter 1959/60 gab es 470 Schmierereien und Beschädigungen auf jüdischen Friedhöfen und Synagogen. Neue rechte Gruppen tauchten auf. Umfragen zu antisemischen Vorurteilen brachten erschreckend höhere Zahlen als heute zutage. Von Staatssekretär Hans Globke, dem subtilen Kommentator der Nürnberger Gesetze, im Bundeskanzleramt bis zu vielen NSDAP-Genossen und Mitläufern in Justiz, Verwaltung und Polizei lebte mancher Ungeist weiter.

Für 1960 konstituierte AG Juden und Christen wurden zu Sprechern neben Rabbiner Robert Raphael Geis, die Frankfurter Politologin Eleonore Sterling, der Bonner Alttestamentler Hans Joachim Kraus, der Berliner Soziologe Dietrich Goldschmidt, die Mannheimer Staatsanwältin und erste Leiterin der Ludwigsburger Zentralstelle zur Verfolgung von NSA-Verbrechen Barbara Just Dahlmann. Der Berliner Theologe Helmut Gollwitzer und der Bad Vilbeler Jurist und Theologe Adolf Freudenberg hatten die Gründung mit unermüdlicher Energie vorangetrieben.[5]   


IV ZWEI INTERNAIONALE PIONIERE:
GERHARD RIEGNER UND ADOLF FREUDENBERG

Der promovierte Jurist Freudenberg war im Auswärtigen Amt zuständig für die Ausbildung junger Diplomaten. 1934 quittierte er den Dienst, weil seine Frau aus einer jüdischen Familie stammte und weil er den politischen Kurs des AA ablehnte. Er schließt sich mit der sechsköpfigen Familie der Berlin-Dahlemer Gemeinde Niemöllers an und beginnt ein Theologiestudium an der von der Bekennenden Kirche gegründeten illegalen Kirchlichen Hochschule Berlin. Als er auch an der staatlichen Berliner Universität Vorlesungen hört, bleibt ihm eine Verhaftung nicht erspart. Nach seiner Ordination und den deutschlandweiten Synagogen-Verwüstungen wandert er 1938 nach England aus. Seine Frau und Kinder sowie die jüdische Verwandtschaft waren  gefährdet. Der Kriegsbeginn 1939 überraschte die Familie in der Schweiz, wo sie blieb, nachdem eine der ersten deutschen Bombardierungen Londons ihre Exilwohnung zerstört hatte.

1938 sollte eigentlich der Ökumenische Rat der Kirchen, der Zusammenschluss aller nicht-römischkatholischen Kirchen erfolgen. Die Weltlage erlaubte damals nicht, was 1948 endlich in Amsterdam geschah. Dort gibt es auch die erste internationale christliche Schulderklärung. die Kirchen hätten es zugelassen, dass „das Bild des Juden als des alleinigen Feindes Christi“ entstand, man habe es unterlassen, „unseren jüdischen Nächsten christliche Liebe zu beweisen“. Noch „immer sei der Antisemitismus, gleich welchen Ursprungs, eine bedrohliche Kraft“ und „schlechterdings mit dem christlichen Glauben und Leben unvereinbar“. Allerdings wird die positive Erklärung beschädigt durch die besitzerstolze, judenmissionarische  Überzeugung „Der Messias, auf den ihr wartet, ist gekommen.“ Zur „Schaffung des Staates Israel“ wird „kein politisches Urteil abgegeben, Jedoch erwarten wir, dass die Nationen dieses Problem nicht als eine Sache politischer, strategischer oder wirtschaftlicher Zweckmäßigkeit behandeln, sondern als eine sittliche und geistige Frage, die das religiöse Leben der Welt im Innersten berührt.“ Allen Opfern des damals (August/September 1948) stattfindenden Unabhängigkeitskrieges Israels sei zu helfen.

Der Generalsekretär des im Aufbau befindlichen Weltkirchenrates, der Holländer Willem Visser’t Hooft, beauftragte Freudenberg 1939, den ökumenischen Flüchtlingsdienst aufzubauen. Mit Hilfe christlicher und sozialistischer Studentengruppen organisierte man zunächst Fluchthilfen vom deutsch-besetzten ins unbesetzte Frankreich, nach der Etablierung des Nazi-affinen Vichy-Regimes wurden die Versuche, Juden in die Schweiz zu retten, immer schwieriger, auch weil sich die Schweiz immer rigider abschottete – unter der Parole „Das Boot ist voll!“.[6]  Als die Flüchtlingszahlen aus dem besetzten Westeuropa immer größer wurden, schloss die Schweiz 1942 ihre Grenzen.

In Genf erneuerte Freudenberg die Freundschaft mit einem ebenfalls aus Berlin vertriebenen Juristen, dem Generalsekretär des Jüdischen Weltkongresses, Gerhard Riegner.

Er berichtet in seinen Erinnerungen von dieser Freundschaft und christlich-jüdischen Zusammenarbeit. Es ging um die Beschaffung von Informationen über die beginnenden Massendeportationen und Massenmorde und ihre Weiterleitung an die Außenministerien in London und Washington. Dazu hatte Riegner eigene Quellen, Visser’t Hooft bekam seine Informationen ua von Hans von Dohnany und dessen Schwager Dietrich Bonhoeffer, mit dem man sich mehrfach traf. Der anglikanische Erzbischof von Canterbury war ein unentbehrlicher Vermittler zu den Westalliierten.[7]

1943 kam es zu einer gemeinsamen Aktion des Jüdischen Weltkongresses mit dem Weltkirchenrat. Die neutralen Länder sollten zu einem Boykott ihrer Lieferungen an Nazideutschland bewegt werden. Sie sollten deutsche Kaufleute festsetzen und sie erst freigeben, wenn dafür Juden freigegeben werden. Die kommerziellen und militärischen Interessen siegten aber über den Vorstoß für die Freiheit.

Noch während des Krieges fanden christlich-jüdische Beratungen in Genf über die Nachkriegssituation statt, natürlich auch über die Zukunft Palästinas. Man war sich einig:, dass ein jüdischer Staat „das vornehmste Ziel unserer Nachkriegsbemühungen“ sein müsse. Beim Austausch von Palästinawein schrieb Freudenberg ein längeres Gedicht, in dem es hieß:

        „Schalom Alechem! Kommt zu Gottes Ruh
        Im Heiligen Land. Er schaut euch gnädig zu.
        Wenn ihr mit Fleiß das Land gewinnt
        Und wirkt, daß in der Wüste Wasser rinnt“.

Gerhard Riegner nennt Freudenberg „einen Pionier ökumenischen Denkens“, der sich „ernsthaft und mit Sympathie mit der Gründung des Staates Israel“ auseinandersetzte – schon fünf Jahre vor dessen Gründung. Von Genf aus half er mit seiner Pension, die er nicht ins Ausland bekam, wohl aber im Inland verwenden konnte, verfolgten Juden in Berlin finanziell oder zur Auswanderung. Freudenbergs Liste ist ein praktisches Beispiel christlicher Solidarität.

1947 berief Niemöller, inzwischen Präsident der EKHN, Freudenberg zum Pfarrer einer neu entstehenden Flüchtlingssiedlung in Bad Vilbel. Er hatte vorher dafür gesorgt, dass auf der berühmten Konferenz des „Internationalen Rates der Juden und Christen“ in Oxford 1946 zwei Deutsche teilnahmen: Einmal Propst Grüber, der im Auftrag der BK das sog. Büro Grüber mit ca 30 Zweigstellen vor allem Christen jüdischer Herkunft, aber auch Juden half – bis die Gestapo ihn ins KZ sperrte. Er war 1961 der einzige Deutsche, der als Zeuge im Jerusalemer Eichmann-Prozess aussagte. Auf dieser ICCJ-Gründungs- Konferenz 1946 in Oxford wurden übrigens entscheidende Beiträge geliefert, die Menschenrechtsfrage in der dann 1948 verabschiedete Menschenrechtscharta zu verankern.[8]  

Der zweite Teilnehmer in Oxford war der Heidelberger Pfarrer Hermann Maas, der viele Kindertransporte nach Großbritannien organisierte. Dabei spielte wieder der anglikanische Erzbischof Bell eine Schlüsselrolle – bis Maas zur Zwangsarbeit verbracht wurde. Er wurde 1950 als erster Deutscher als Israels Staatsgast nach Israel eingeladen.

Freudenberg hatte durch seine internationalen Kontakte die christlich-jüdischen Pionierarbeiten zB in den USA und Großbritannien kennengelernt.  1947 nahm er an der Seelisberger Konferenz teil, wo die berühmten 10 Seelisberger Thesen verabschiedet worden waren – das erste Dokument, das nach der Schoa von Juden und Christen gemeinsam formuliert worden war. Im selben Jahr berief Niemöller ihn als Gemeindepfarrer auf den Heilsberg (Bad Vilbel). Diese Flüchtlingssiedlung wurde auf einem früheren Truppenübungsplatz aufgebaut, ein gutes Beispiel struktureller Konversion.

Er beteiligte sich am Aufbau der CJZ Frankfurt/M gemeinsam mit Franz Böhm, der 1937 mit seiner Schwiegermutter Ricarda Huch ins Visier der Gestapo geriet und seinen Freiburger Lehrstuhl verlor. Ricarda Huch, die eindrucksvolle Bücher über deutsche Geschichte und über Luthers Glauben geschrieben hatte, war das einzige nichtjüdische Mitglied der Preußischen Akademie der Künste, die unter Protest gegen den Rauswurf der jüdischen Mitglieder im Frühjahr1933 austrat. Sie protestierte gegen „Zentralisierung, den Zwang, die brutalen Methoden, die Diffamierung andersdenkender, das prahlerische Selbstlob.“

1945 wurde Franz Böhm zum Rektor der Goethe-Universität gewählt und 1952 zum Verhandlungsführer über die „Wiedergutmachungsleistungen“ in Luxemburg. Dazu hatte die us-amerikanische Regierung Konrad Adenauer nur unter Druck bringen müssen. Nichts war wieder gut zu machen. Aber der 1948 durch UNO-Beschluss neu gegründeten Staat Israel, der Rettungshafen vieler Überlebender deutscher Vernichtungslager, er brauchte Hilfe, die immer viel geringer war als das gestohlene und vernichtete jüdische Eigentum in ganz Europa.


V MITARBEIT IM DEUTSCHEN KOORDINIERUNGSRAT DERE GESELLSCHAFTEN FÜR CHRISTLICH-JÜDISCHE ZUSAMMENARBEIT UND IM DEUTSCHEN EVANGELISCHEN KIRCHENTAG

Freudenberg wurde der erste evangelische Vorsitzende des DKR, ihm gelang es auch, Theodor W. Adorno und Max Horkheimer als Referenten zu gewinnen.[9]  !964 schlug der Siebzigjährige mich als Kandidaten für seine Nachfolge im DKR vor. Mit mir wurden der Dominikanerpater Willehad P. Eckert auf Vorschlag der Kölner CJZ gewählt. Auch die Berliner CJZ nominierte einen Neuling. den badischen Landesrabbiner Nathan Petter Levinson neu gewählt. Er war nach seiner Ausbildung in Cincinnati von Leo Baeck persönlich nach Berlin entsandt worden. An die Zusammenarbeit dreier Youngster habe ich beste Erinnerungen.

Mit drei Vorschlägen wollten wir unsere Arbeit starten: Einmal sollte ein Preis Menschen auszeichnen, die sich um die Neubegegnung von Juden und Christen verdient gemacht hatte. Er sollte den Namen „Buber-Rosenzweig-Medaille“ tragen. Zweitens sollte das bis dahin als Motto für die Woche der Brüderlichkeit ausgegebene Thema zu einem elaborierten Jahresthema werden, das ein Jahr lang in den CJZ und in diversen Bildungseinrichtungen beackert werden sollte. Und zum dritten gründeten wir eine Zeitschrift, die den schönen Namen EMUNA, das hebräische Wort für / Treue / Vertrauen / Glauben trug. Sie lebte einige muntere Jahre, fand bei den Gesellschaften keine Gegenliebe und ging – trotz einer großen Spende von Bundespräsident Heinemann - ein.  

Auf dem Berliner Kirchentag 1961 treten wir als AG Juden und Christen beim Deutschen Ev. Kirchentag zum ersten Mal mit einem großen Programm auf. Wie alle war ich als jüngstes Mitglied der AG war überwältigt. Tausende strömen in die Messehallen. Sie war geschmückt mit dem Davidstern über dem Jerusalemkreuz, dem Logo des Kirchentages, daneben die brennende Berliner Synagoge. Übertragungen in parallele Hallen wurden nötig. Die Resonanz war positiv. Bis auf die Wochenzeitung „Christ und Welt“. Sie schrieb vom „Ausverkauf der Kirchengeschichte“. Warum? Weil selbstkritisch auch die eigene Kirche in ihrem politischen und christlichen Versagen dargestellt wurde.

Viel wichtiger aber war – das kann man in den beiden Dokumentarbänden nachlesen[10]  - dass ausführlich Jüdinnen und Juden zu Wort kamen. Eva Gabriele Reichmann, die Leiterin der Wiener Library, ein Dokumentationszentrum des deutschen Judentums, rechtzeitig aus Nazideutschland nach London, eröffnete ihren Vortrag über den „bürgerlichen Antisemitismus“ mit der Frage, sie verstehe nicht, warum die Christen die Juden als Christusmörder beschimpft hätten, statt sie als Christusbringen wertzuschätzen. Robert Raphael Geis sprach über den „Auftrag Israels an die Völker“. Wie er entfaltete Ernst Ludwig Ehrlich die Frage „Wer gehört zum auserwählten Volk?“ Was meint „Erwählung“? Sicher kein Elitebewusstsein, sondern einen göttlichen Auftrag, Gerechtigkeit und Liebe, die biblischen Hauptworte, zu leben. Schalom Ben Chorin beschäftigte sich mit der „Heimholung Jesu in das jüdische Volk“ und legte die breite jüdische Forschungsarbeit jüdischer Wissenschaftler zu Jesus von Nazaret dar, eine Arbeit an der er mit seinen Büchern über Jesus, Paulus und Maria selbst beteiligt war. Alle Vorträge wurden ausführlich mit und in dem Plenum diskutiert.

Ich lernte, dass christlich-jüdischer Dialog vor allem christliche und kirchliche Selbstkritik ist, ein Abräumen der Denkmuster, die eine christliche Position durch die Negation des angeblich überholten Judentums gewinnen wollte, indem man eine jüdische Leidensgeschichte als Gottes Strafe für die Kreuzigung Jesu deutete, indem man die Hebräische Bibel als nur Verheißung und Ankündigung der christlichen Erfüllung herabwürdigte, indem man die Tora  als etwas Vorläufigen abtat, das vom Evangelium überboten werde, indem man den Gott Israels als einen Gott der Rache und des Gesetzes, als einen „anderen“ missverstand im Unterschied zum christlichen Gott der Liebe, indem man zur christlichen Selbstvergewisserung die jüdischen und christlichen Gemeinsamkeiten im Verständnis Gottes, der Menschen, der Geschichte und der Ethik nicht wahrhaben wollte.

Zu den schon erwähnten jüdischen Gründungsmitgliedern der AG gehörte außerdem noch der Londoner Rabbiner Paul Holzer und der Stockholmer Rabbiner Kurt Wilhelm. Bis heute bin ich Ihnen und den später dazu gekommenen Nathan Peter Levinson, Albert H. Friedlander, Pnina Navé-Levinson, Edna Brocke und Pinchas Lapide sehr dankbar. Es war keine Selbstverständlichkeit, ins Land der Täter zu kommen und beim Neubau von Wegen in eine humanere Zukunft mitzuarbeiten. Meine dankbare Erinnerung gilt ihnen nicht nur für die Mitarbeit in der AG Juden und Christen des DEKT, sondern für ihre so intensive und wahrhaftig unterschiedliche Aufklärungsarbeit in unsrem Land, dessen nichtjüdischer Teil nicht nur - wie Martin Buber sagte - von einer Gottesfinsternis, sondern von einer menschlichen Blindheit der Mehrheitsgesellschaft gegenüber der jüdischen Minderheit geprägt war.

(Schon erwähnt hatte ich: den  Jerusalemer Publizist Schalom Ben Chorin, der Schweizer Europadirektorder B’ne Berit Ernst Ludwig Ehrlich, Basel; der Düsseldorfer Rabbiner Robert Raphael Geis noch r; Die Historikerin Gabriele Reichnann, Leiterin der Wiener Library für das deutschsprachige Judentum, des nach London geretteten Archivs; Eleonore Sterling, Politologin in Frankfurt, wo sie sich gerade mit einer Arbeit bei Carlo Schmid über die Geschichte des Antisemitismus habilitiert hatte.)


VI DANK AN VIER BERLINER BAULEUTE

Von vier Juden berichte ich ein weniger ausführlicher. Sie gehören zu den Pionieren des jüdisch-christlichen Gesprächs gehören. Ich habe sie alle vier in der AG Juden und Christen und in meiner Arbeit an der Ev. Akademie Arnoldshain ausführlich kennengelernt. Ich spreche von Nathan Peter Levinson; Ernst Ludwig Ehrlich, Zürich, Albert H. Friedlander, London; und Herbert Strauß, New York. Sie gehören zu den vier letzten Juden, die von Leo Baeck in Berlin indirekt oder direkt geprägt wurden, bevor der letzte Rabbiner von Berlin und Sprecher der deutschen Judenheit 1943 nach Theresienstadt deportiert wurde.

Leo Baeck hatte selbst an der liberalen Hochschule für die Wissenschaft vom Judentum in Berlin studiert, die er später, nach Rabbinaten in Oppeln und Düsseldorf, bis zu der von den Nazis erzwungenen Schließung 1933 offiziell leitete. Ab 1933 diente sie der jüdischen Erwachsenenbildung, die im deutschen, antisemischen Apartheidstaat neu aufgebaut werden musste. Leo Baeck führte die Hochschule dann in seiner Wohnung weiter – bis zu den letzten vier Studenten Levinson, Ehrlich, Friedlander und Strauß.

1. Nathan Peter Levinson
Nathan Peter Levinson hielt am 20. März 1940 - noch unter dem elterlichen Namen Peter Lewinski für die letzte Klasse jüdischer AbiturientInnen in Berlin die Rede zur Abiturfeier. Zu dieser Klasse in der letzten jüdischen Schule gehörten 14 SchülerInnen, darunter auch Ernst Ludwig Ehrlich. 5 von ihnen haben überlebt. Er beschreibt sehr präzise die „schweren Zeiten“, in denen „die Jüdischkeit zusammenschrumpft zu einem Pünktchen, das im Herzen des Juden glimmt“, aber dieser Geist des Judentums sei nicht zu vernichten. Er zitiert aus Bibel und Talmud das trotzige „Dennoch!“ Das speise sich nicht nur aus dem Wissen, für dessen Vermittlung er dem Lehrerkollegium dankt, sondern aus dem „ein Wissen, das uns in dieser so schweren Zeit befähigt aufrechtzustehen.“ Es ist der Geist der „Liebe, der Menschlichkeit und der Friedensliebe.“  „Wir sind im Golus (Exil) und unsere Gottheit ist auch im Exil.“ Peter weiß: „Das Leben, in das wir gehen, ist ein schweres und grausames. Wo ein jeder von uns an Land gehen, über das Meer fahren wird, wer weiß es?“ Zum Schluss wendet er sich an die jüngeren Schüler: „Helft uns in dem großen Kampf, leben zu bleiben trotz allem… dann wird auch wieder einmal das Glück für unser Volk kommen.“ Und er unterstricht diese Hoffnung mit der Verheißung des Propheten Amos (9,11) dass Gott die „verfallene Hütte Davids wieder aufrichten wird!“ Nach dem Novemberpogrom 1938 wurden die letzten jüdischen Schüler in eine jüdische Schule zusammengezogen. Nach dem Abitur wurde er zur Zwangsarbeit bei Siemens verpflichtet, nebenher begann er – „Dennoch!“ – das Studium an der jüdischen Hochschule, die auf das Studierzimmer von Leo Baeck zusammengeschrumpft war.

Ein Jahr später begannen die Massendeportationen aus Berlin. Familie Levinson erreichte unter abenteuerlichen Umständen den letzten Zug der transsibirischen Eisenbahn, bevor Deutschland 1941 zum Vernichtungskrieg über die Sowjetunion herfiel. Nach Zwischenstationen in Korea und Japan landete er „übers Meer“ in Cincinnati. Dort studierte er, machte 1947 seine Examina, wurde ordiniert und zuerst als Militärrabbiner nach Berlin geschickt. Auf Bitten von Leo Baeck und der Weltunion für progressives Judentum, kam er – nach einem Dienst in Japan - wieder als Landesrabbiner nach Berlin, half die Berliner jüdische Gemeinde zu sammeln, die aus vielen Lagern, mancherlei Exilen und aus wenigen Verstecken übriggeblieben war. In Westdeutschland hielt 50% der Deutschen den Nationalsozialismus für eine nicht so schlechte Idee, die nur falsch verwirklicht worden sei.

Nach seinem Rabbinat in Mannheim wurde er 1964 Landesrabbiner in Baden und in Hamburg und Schleswig-Holstein, gleichzeitig wurde er Vorsitzender der westdeutschen Rabbinerkonferenz und wurde 1965 mit Pater Eckert und mir zu Vorsitzenden des DKR gewählt. Er war eine der entscheidenden Stimmen des deutschen Judentums in Zeiten, in denen sich ein Neuaufbau jüdischer Gemeinden in dem Gefühl vollzog, auf gepackten Koffern zu sitzen. Er war ein Aufbauender.

Er gab mit seiner Frau Pnina Nave-Levinson den Anstoß zur heute blühenden Hochschule für jüdische Studien in Heidelberg, war in den Medien ebenso präsent wie in christlichen Einrichtungen, nicht zuletzt durch sein Amt als einer der Vorsitzenden des DKR und später als Präsident des ICCJ (1976-1984), ein Amt in dem ich ihm später – als erster Deutscher – nachfolgte (1990-1998). Ich kann unmöglich auf die zahlreichen Bücher eingehen, die er und seine 2. Frau Pnina Nave-Levinson veröffentlichten. Ich erwähne von ihr „Eva und ihre Töchter“; „Saras Töchter“ und eine „Einführung in die israelitische Literatur“. Von ihm seien hier nur genannt: „Ein Rabbiner erklärt die Bibel“ (München 1982), Predigten und Ansprachen zu biblischen Texten, darunter auch solche auf Kirchentagen; „Der Messias“ (Stuttgart 1984), ein vorzüglicher Überblick über die sehr unterschiedlichen Messiasverständnisse von biblischen Zeiten bis zur Gegenwart, zu Rabbi Schneerson aus Brooklyn; ; und seine Aufsätze „Ein Rabbiner in Deutschland“ (Gerlingen 1987) oder seine Erinnerungen unter dem bezeichnenden Titel „Ein Ort ist, mit wem du bist“.

Ich gebe an dieser Stelle seine Grundlinien wieder, die er zum Verständnis der Bibel einmal wie folgt festhielt: Judentum ist nicht einfach Bibel, Erstes Testament, wie viele Gelehrte und Ungelehrte denken, sondern Judentum ist ein ständiges Gespräch mit der Bibel und ihren weisen und rabbinischen Kommentatoren. Gefragt wird nach dem, was heute nicht mehr zeitgemäß ist, zB Opfervorschriften, was aber doch zeitgemäß für heute, dh auf seine Intention und Offenheit für die Zukunft hin zu verstehen ist. Es ist alles andere als starr, „Es geht nicht um Buchstabengläubigkeit, sondern dem Leben heute zu dienen!“ Talmud und Midrasch sind eine lebendige Diskussionsprotokoll – offen für heutige Auseinandersetzungen.

2  Ernst Ludwig Ehrlich,
1921 in Berlin geboren, nach Zwangsarbeit in Berlin Siemens, gelang ihm 1943 die Flucht in die Schweiz. Dort konnte er in Bern studieren und promovieren. Er war einer der Vorsitzenden der Schweizer CJZ und Europadirektor der Loge B’ne Berit, lehrte auch an verschiedenen europäischen Universitäten. Im Blick auf seine politischen Aktivitäten nenne ich ihn einmal einen Josel von Rosheim der Neuzeit. In leitenden Funktionen zB der Anti-Diffamation-League, war er nicht nur ein nicht nur ein unermüdlicher Fürsprecher der europäischen Judenheit, ein wachsamer Anwalt gegen Judenhass, sondern auch ein einflussreicher Verhandlungspartner vieler Politiker.

In einem wissenschaftlich und publizistisch durch NS-Diktatur und -zensur ausgedörrten und propagandistisch mit Lügen gefluteten Deutschland lieferten seine Publikationen elementare Informationen und Aufklärung. 1956 erschien seine „Geschichte der Juden in Deutschland“ und 1958 eine „Geschichte Israels“. Sie waren wichtig in einem Land, das diese Geschichte, ihre Menschen, Kultur und Religion total vernichten wollte.

Ich lernte Ehrlich im Vorfeld des Berliner Kirchentages kennen, als wir beide neben vielen anderen auf einer ökumenischen Tagung der Berliner Ev. Akademie (Febr. 1961) zu referieren hatten. Es ging um die Geschichte der jüdisch-christlichen Beziehungen vom Apostelkonzil bis heute.[11]  

Im Blick auf die in Deutschland späte Geschichte der Befreiung der Juden sagte er: „Der Kampf um die volle Emanzipation der Juden hatte etwa 60 Jahre gedauert, zur Auslöschung der Emanzipation benötigten die Nationalsozialisten nur drei Jahre (1933-1935). Sie beendeten…die Geschichte der Juden in Deutschland, eines Volkes, das in diesem Land seit fast zweitausend Jahren ‚eingeboren‘ war.“ Er fragt – skeptisch wie sein Lehrer Leo Baeck - , ob es jemals wieder eine Geschichte der Juden in Deutschland geben werde, um dann die banalen, aber effektiven Gründe für die Vernichtung zu nennen: „Die Enge des Herzens, des Glaubens und des Geistes“ führte dazu, „den nicht zu ertragen, der anders ist.“

Also: Menschlichkeit, Religion und Intellekt scheiterten am fehlenden Respekt für ein Anderssein der Anderen. „Keine einzige religiöse, geistige oder politische Macht war so stark, um dafür zu sorgen, auch die Juden in die Erfüllung des biblischen Liebesgebotes einzubeziehen.“ Mit seinem umfassenden historischen Wissen erläuterte er immer wieder, dass der Blick nicht nur auf die 12 Jahre der Verfolgung und Vernichtung gerichtet sein dürfe. Schon gar nicht dürfe die Geschichte des jüdischen Volkes als eine immerwährende Geschichte des Leidens dargestellt werden. Ebenso wenig dürfe die Schoa betrauert werden mit dem Hinweis auf den Verlust vieler prominenter Juden und Jüdinnen – von Albert Einstein bis Gustav Mahler, von Margarete Susman bis Nelly Sachs. Die Frage nach Tätern und Zuschauern wird wichtig.

In den Anfängen der Christenheit waren Juden wie Christen wegen ihres Glaubens an den einen Gott und ihrer auf Liebe und Gerechtigkeit beruhenden Ethik Verfolgungen ausgesetzt. Das wandelte sich, als das Christentum sich auf die Wege zur Staatsreligion begab. Die von der christlichen Mehrheitsreligion praktizierte Abwertung des Judentums wurde religiös aufgeladen durch den Gedanken, sie seien von Gott verworfen. Reformation und Renaissance verbesserten zunächst die Situation, in den katholischen und lutherischen Gebieten verbot das Konzept eines christlichen Staates ihre Gleichberechtigung, in den calvinistischen Gebieten wirkte sich die humanistische Tradition aus und die Hochschätzung des Alten Testamentes.

Ehrlichs Vorträge und Publikationen sowie seine Mitarbeit in katholischen und evangelischen Gremien waren Marksteine für eine neue Begegnung von Juden und Christen.

3. Albert H. Friedlander
wurde 1927 in Berlin geboren. Seine Schulausbildung konnte er in Deutschland nicht abschließen, ihm gelang wie seiner Familie, aber getrennt von ihr, kurz vor Kriegsbeginn die Flucht über Kuba in die USA. Nach dem Schulabschluss studierte er an der jüdischen Hochschule in Cincinnati (Ohio), dem Hebrew Union College, gegründet 1875. Dort lebte die reichhaltige Tradition des in Deutschland einst entstandenen Reformjudentums, jetzt vor allem vertreten durch Emigranten unter den Studenten wie unter den Dozenten. Sein Weg als liberaler Rabbiner begann unter den hoch geschätzten Lehrern Leo Baeck, dem er eine eindrucksvolle Biographie widmete. In Cincinnati hatte er dieselben Lehrer wie Peter Levinson, darunter auch Abraham Joshua Heschel, mit dem Albert Friedlander an Demonstrationen mit Martin Luther King für schwarze Bürgerrechte teilnahm; oder Jakob Petuchowski, dessen Bücher – zB „Es lehrten unsere Meister“ – wie die von Heschel zu den elementaren Grundinformationen für eine alles andere als monolithische Welt des Judentums wurden.  

Friedlanders ersten Veröffentlichungen befassten sich mit den Anfängen der jüdischen Reformbewegung in Deutschland (1955) und mit Reformjudentum in den USA (1958. Seine sehr lebendig erzählte Biographie Leo Baecks (englisch: Teacher of Theresienstadt, 1968, deutsch 1973: Leo Baeck. Leben und Lehre) würdigt den großen liberalen Theologen, der 1937 in der Zeit kirchlicher Irrlehren und christlicher Gleichgültigkeit gegenüber den jüdischen Gemeinden, das Jüdische im Christentum betont: „Die Evangelien als Urkunden des jüdischen Glaubens.“

Er hatte das zur Jahrhundertwende in hohen Auflagen erschienene Buch von Adolf von Harnack „Das Wesen des Christentums“ gelesen und souverän beantwortet. Umgekehrt lasen christliche Theologen kaum jüdische Theologen. Wusste man nicht aus dem Neuen Testament, was man über die Juden zu denken hatte? Wozu noch zeitgenössische jüdische Wissenschaftler studieren? Gewiss, es gab einige, wenige Ausnahmen.

Harnack, liberaler Theologe wie Baeck begegnete persönlich Baeck nie, obwohl Universität und jüdische Hochschule Nachbarn waren. Bis 1918 hatte die philosophische Fakultät es abgelehnt, ein Institut für die Wissenschaft von Judentum an der Universität zuzulassen. Die bürgerliche Nachbarschaft schützte die Juden in den deutschen Dörfern und Städten so wenig wie die akademische Nachbarschaft.

Harnack stellte das Judentum zur Zeit des Neuen Testamentes als eine verknöcherte Gesetzesreligion dar, die zur Zeit Jesu „das im Judentum längst erschlossene Heilige“ unter aufgehäuftem Sand und Schutt und verunreinigtem Wasser bedeckt war (31). Jesus predigte nichts anderes als was in der Heiligen Schrift schon dem Judentums gegeben war. Harnack beantwortet die Frage, wer für den Schutt und die Verunreinigung der Quellen verantwortlich sei, mit dem Hinweis auf „die offiziellen Führer des Volkes.“ Sie taten, was der „gemeine Mensch auch tut: „Sie dachten sich Gott als den Despoten, der über dem Zeremoniell seiner Hausordnung wacht. Machten aus seinem Gesetz ein „Labyrinth von Schluchten, Irrwegen und heimlichen Ausgängen. Sie hatten aus der Religion ein irdisches Gewerbe gemacht. Jesus verkündete den Lebendigen Gott“ (33).

Wenn jüdische Gelehrte fragen, was Jesus denn Neues gebracht habe, „dann antworte ich – Leo Baeck - : nicht den Monotheismus, nicht die Botschaft der Psalmen und Bußpredigt der Propheten, das war schon in der „jüdischen Überlieferung seiner Zeit zu finden“, auch in der der Pharisäer“ (30f).

Harnack fasste die Verkündigung Jesu in drei Sätzen zusammen: „1) Das Reich Gottes und sein Kommen; 2. Gott der Vater und der unendliche Wert der Einzelseele; 3) Die bessere Gerechtigkeit und das Gebot der Liebe.“ (33). Auf diese drei Sätze hätte sich Harnack mit Baeck einigen können, hätte er sich nicht durch einen Panzer von Vorurteilen zB über Pharisäer oder Gesetz, selber blind gemacht. Die traditionelle christliche Lehre über Jesus Christus sah er sehr kritisch: „Die ganze kirchliche Christologie steht außerhalb der Persönlichkeit Jesu Christi“ (144), sozusagen eine Konstruktion der Kirche. In der Nichtbegegnung steckt eine doppelte Fatalität:

Einmal haben die christlichen Hörer und Leser Harnack dieses negative Urteil über die jüdischen Religionsführer als Urteil über das ganze Judentum gelesen und gehört. Harnack konnte aber genau so scharf über die christlichen Religionsführer oder über die Russisch-Orthodoxe Kirche so reden. Baeck verweist klar auf christliche Gesetzlichkeiten und Dogmatiken, die auch Schutt und Sand auf das Evangelium häufen.

Zum anderen hatte Harnack die gesamte, vielgestaltige Tradition des rabbinischen Judentums nicht im Blick. Ohne sie sind die vielgestaltigen jüdischen Selbstverständnisse nicht zu verstehen.

So gewiss Friedlander im Judentum lebt, denkt, handelt, so gewiss ist er, dass er nie ein religiöses System religiöses jüdisches System als Ausdruck seines Judentums benennen könnte. Er lehrt von allen, wie offen es für alle ist. Aber: „Mein Judentum ist ein breiter Strom, der aus vielen Nebenflüssen gespeist wird“ (Ende der Nacht 300). Manch mal „gehe ich mit Richard Rubenstein, der eine Theologie vom Tode Gottes schrieb, manchmal mit Emil Fackenheim, der orthodox und Zionist war.

Friedlander zeichnet sich durch eine ungeheure Sensibilität aus, die die langen Schatten der Schoa nicht vergisst und ebenso leidenschaftlich Ausschau hält nach jenen „Reitern in die Morgendämmerung“, die er aufsucht auf seiner Reise in eine neue Zukunft. Er berichtet von Erich Fried und Paul Celan, Dorotea Sölle und Nelly Sachs, übersetzt ihre Gedichte und zitiert sie immer wieder, weil er sowohl in der Post-Schoa-Theologie wie in der zeitgenössischen Poetik Theodor W. Adornos Diktum widerlegt, man können nach Auschwitz keine Gedichte mehr schreiben oder eben keine Theologie mehr treiben. Er beschäftigt sich mit Hans Küng und Johann Baptist Metz, deren neues Denken nach vorne weist, wie mit Dietrich Bonhoeffer und Martin Niemöller, deren Taten ihrem neuen Denken voraus gingen. Für seine Reise in einen sich lichtenden Morgen ist er nicht nur mit Juden und Christen unterwegs, sondern auch mit anderen Religionen. Er war nicht umsonst ein engagierter Präsident der „ Weltkonferenz der Religionen für den Frieden“. Er gehört neben Peter Levinson zu den Rabbinern, die am häufigsten auf Kirchentagen und in Akademietagungen im Gottesdienst oder Bibelarbeiten die Bibel auslegten. Diese Beispiele erwähne ich hier, weil dadurch die Gemeinsamkeiten und Unterschiede im Textverständnis, vor allem aber auch der reiche Schatz jüdischer Bibelauslegungen von den Rabbinen der Antike bis heute lebendig wurden.

Die Festschrift für Albert Friedlander erscheint 1997 unter dem Titel „Das Leben leise wiederlernen“ (1997. Dieses Zitat aus einem Gedicht von Nelly Sachs trifft die inhaltliche wie die ästhetische Argumentation von Friedlander sehr genau. Er ist kein Mensch der lauten und scharfen Töne, wohl aber lässt er an Deutlichkeit nichts vermissen.

Elie Wiesel schreibt in dieser Hommage: „Albert Friedlander gehört zu den ersten religiösen Denkern, welche entdeckt haben, wie unterschiedlich die Antworten auf die Schoa sein können. Mehr als viele andere hat er durch seine literarischen und philosophischen Forschungen auf diesem Gebiet, welche er alle mit Respekt und Bescheidenheit durchgeführt hat, sich die Wertschätzung Gleichgesinnter und die Freundschaft des Autors erworben.“ Es war konsequent, dass Beide 1988 ein bewegendes Buch veröffentlichten, das biblische, rabbinische, liturgische und literarische Texte konfrontiert mit menschlichen Stimmen und dem Geschehen in der Schoa: „Six Days of Destruction“ (1992 deutsch: Sechs Tage der Schöpfung und Zerstörung. Ein Hoffnungsbuch).

Albert Friedlander benutzte sehr gern die Bilder vom Weg, von der Reise, Menschen sind unterwegs. Sein.  Das wird besonders deutlich in seinem umfangreichen Werk „Das Ende der Nacht. Jüdische und christliche Denker nach dem Holocaust“ (1993) Der englische Titel „Reiter in das Morgenlicht. Von extremsten Leiden zu bescheidener Hoffnung“ („Riders towards the dawn. From ultimate suffering to tempered hope“ London 1988) entsprich besser Friedlanders Intention, einen Reisebricht nach einer Nacht in hoffnungsvollere Zeiten zu schreiben. Auf seinen Wegen berichtet er von vielen Begegnungen mit Juden und Christen, mit Dichtern und Philosophen, mit vielen unterschiedlichen Zeitgenossen in Amerika, Deutschland, Frankreich, England, Italien, Israel.  Er ermutigt, selbst auf die Reise zu gehen – zu anderen, nicht bei sich selbst zu bleiben. Die Reise ist schon Erfüllung, auch wenn ich nicht ans Ziel komme. Aber wir hören und hörten die Stimmen derer, die in der Nacht waren oder ihr entronnen sind. Wir, die lebenden Erinnerer, werden ihr Leben bewahren. Sonst verfallen wir der Gleichgültigkeit, der Apathie. Sie ist die eigentliche Ursache für das Böse. Sie hat die Nazis wüten lassen. Denn sie waren keineswegs auf die Zustimmung der ganzen Bevölkerung angewiesen.

Nicht als von einem Anhängsel, sondern von einer selbstbewussten und eigenaktiven Frau ist noch zu sprechen, Von Evelyn Friedlander, geb. Philipp, stammt aus Essen. Sie ist Musikerin, bekannt wurde sie aber als auch als Referentin im BBC und NDR, besonders aber durch eine eigenständige Recherchearbeit nach den Überresten süddeutscher Landsynagogen. Daraus entstand eine Stiftung „Hidden Legacy Foundation“  und eine Ausstellung „Genisah“, benannt nach dem „Aufbewahrungsort“ unbrauchbar gewordener Heiliger Bücher und Kultgegenstände. Es war erstaunlich, welche Schätze Evelyn Friedlander in den verlassenen Synagogen und Bethäusern von gewaltsam beseitigten Gemeinden entdeckte und barg. In ihre Erinnerungen berichtet sie davon unter dem mehr als treffenden Titel einer Exilierten „Ich will nach Hause, aber ich war noch nie da. Eine jüdische Frau sucht ihr verborgenes Erbe“ (1996).

Im Haus von Friedlanders Londoner Gemeinde findet sich eine große Sammlung von einst geraubten Tora-Rollen, die in den letzten Jahren neu gegründeten mitteleuropäischen jüdischen Gemeinden übergeben werden konnten.

4. Robert Raphael Geis
stammt aus Frankfurt/M, geb 4. 7. 1906, er starb in Baden-Baden 18. 5. 1972. Er studierte wie Leo Baeck an der (orthodoxen) Hochschule in Breslau und an der liberalen in Berlin, an den Universitäten dort und in Köln noch Germanistik, Geschichte und Philosophie. Er hat mit den bisher Genannten gemeinsam, ein Schüler von Leo Baeck zu sein.

Er bekam 1932 seine erste Stelle als Jugendrabbiner in München. Da er noch nicht im Münchener Telefonbuch stand, war er der einzige der Münchener Rabbiner, der am 1. April 1933 – als ein staatlicher Boykott gegen jüdische Einrichtungen befohlen und befolgt wurde -  nicht verschleppt und verprügelt wurde. Er war im jüdischen Gemeindehaus präsent. Da erschien eine Horde von SA-Leuten und kippten einen Karton mit den Urnen und Erde ins Gemeindehaus und brüllte: „Da habt ihr euern Eisner und euern Landauer!“ Kurt Eisner, Pazifist, Räterepublikaner und Parlamentarier, wurde auf dem Weg zur konstituierenden Sitzung des Bayrischen Landtags 1919 von dem Reichswehrleutnant Graf Arco-Valley erschossen. Straffrei. Gustav Landauer, Martin Bubers enger Freund, Anarchist und romantischer Sozialist, geprägt von Meister Eckhard, den französischen religiösen Sozialisten, Kritiker des Marxismus und Shakespeare-Forscher, fiel ebenfalls militärischer Mordlust zum Opfer.

1938, inzwischen Rabbiner in Kassel, wird Geis mit allen Männern seiner Gemeinde ins KZ Buchenwald verschleppt. Nach seiner Freilassung emigrierte er n ach Palästina. Dort, mittellos und als liberaler Rabbiner ohne Arbeitsmöglichkeiten, wurde er einer der Gründer der Leo-Baeck-Schule in Haifa. Er arbeitete als Lehrer, kam nach dem Krieg nach Europa zurück. Nach verschiedenen Rabbinaten in England, der Schweiz und den Niederlanden wurde er 1952 Landesrabbiner von Baden. Erst kurz vor seinem Tod erhielt eine immer ersehnte Stelle als Hochschullehrer, erst an der pädagogischen Hochschule Duisburg, wo sich, von seinem Freund und Kollegen Heinz Kremers initiiert, neben Freiburg die Forschungsstelle für Schulbuchuntersuchungen zu „Judentum im christlichen Religionsunterricht“ befand. Später wurde noch Honorarprofessor an der Universität Göttingen.

Er gehört zu den Gründungsmitgliedern der AG Juden Christen beim Deutschen Evangelischen Kirchentag 1960. Unvergessen für alle, die damals zuhörten, ist seine Entfaltung des Erwählungsgedankens. Israel wird aus den Weltstämmen berufen, ausgewählt, aus drei Gründen:

Einmal wird der Kampf gegen die Götzen der Naturgewalten zum göttlichen Auftrag, wie an der Kritik gegen an den Baalim, den Göttern des Wachstums und der Fruchtbarkeit, sowie anderem Göttern, deutlich wird. Ihnen zu folgen, schiebt die Gebote der Liebe und Gerechtigkeit in die Nischen des Privaten ab.

Zweitens geht es um Machtkritik. Die Propheten von Micha ben Jimla bis zu Amos, Jesaja und Jeremia werden die Machthaber kritisiert, weil sie sich nicht als Vikare Gottes verstehen, sondern ihren eigenen Machtinteressen folgen.

Und dann ist drittens zu nennen die Religionskritik, die nötig ist, wenn aus dem Weg des Glaubens die Festung einer Konfession wird, die sich im Tempel und Kult einigelt.

Es ist deutlich, wie von der Schöpfungsgeschichte an Erwählung so verstanden wird: „Um der Gotteswelt willen lebt der Jude in der Menschenwelt; um der Menschenwelt willen muss er der Welt widersprechen.“ Diese an den Weisungen des „einen-einzigen Gottes“ orientierte universale Sicht der Erwählung lebt von dem Auftrag des „Gottes der sozialen Gerechtigkeit, des Mit-Leidens, der Liebe, von ihm kommt der Jude, der Prügelknabe der Weltgeschichte nicht los.“ Damit ist keine der Martyrien, der Judenverfolgungen, schon gar nicht die Nazideutschlands, gerechtfertigt. Aber es wird auf das hingewiesen, was Bonhoeffer die Kosten der Nachfolge nennt.

Die Christen sollten nicht vergessen, „Es ist immer der Jude, der der durch sein bloßes Dasein dem Christen das Überhören der Botschaft der jüdischen Bibel unmöglich macht.“ Mit letztem Ernst erinnert Geis an eine Wirklichkeit, die Franz Kafka einmal so formulierte „Man schlägt den Juden und meint den Menschen.“ Aber er geht noch weiter: Wenn zur christlichen Bibel und zur Bibel des Juden Jesu nur die jüdische Bibel gehört, dann sollte „der Christ als Bruder“ wie einst „die Propheten den jüdischen Bruder an den göttlichen Halteruf erinnern, wenn der Jude seiner gottgewollten Bestimmung entfliehen möchte.“

Es ist deutlich, dass gegenüber der christlichen Tradition, die „Kirche ist jetzt das wahre Israel“  die Gemeinsamkeit von Kirche und Israel und die gegenwärtige Lebendigkeit des Judentum in der Diaspora und in m Staat Israel herauszuarbeiten war.

Es ist deutlich, dass Geis anspruchsvoll und klar auf der Linie jüdischer Selbstkritik bleibt, auch in seiner scharfen Kritik am Staat Israel, dessen Existenz und Sicherheit er bejaht. Hier sieht er sehr früh in der Politik gegenüber der arabischen Bevölkerung zu viel Nationalismus und Machtbehauptung am Werk.


VII NOCH IMMER AM ANFANG

Ich frage: Sind die christlichen Geschwister zu der von Geis gesehenen kritischen Aufgabe wirklich reif? Meine Erfahrung auf den Wegen christlicher Bemühungen um einen Neuanfang der christlich-jüdischen Beziehungen sagen: Nein. Das wurde auch schon nach dem ermutigenden Auftakt in Berlin auf den Kirchentagen in Köln und Dortmund deutlich. Da tauchten dann Stimmen auf, die fragten, ob denn der jüdische Erwählungsgedanke Israel in der Völkerwelt isoliert und unbeliebt gemacht habe, ob er nicht durch Christus überholt sei? Die Fragen verschärften sich auf den Kirchentagen in Hannover und Stuttgart 1967 und 1969[12] , bei denen bis heute ein Denkmuster sich zu Wort meldete, das – angeblich – „nichts gegen Juden habe, wohl aber etwas gegen die Zionisten“. Solche Sichtweisen zeigten und nährten säkulare und religiöse Vorurteile, die Israel eine defizitäre Position zuschrieben. Vulgär wurde das auch von klugen Leuten mit dem Hinweis auf „Auge um Auge“, auf die Pharisäer, auf „gesetzliche Enge“ oder auf Judas und Geld unterfüttert.

Es meldeten sich Stimmen, die eine angebliche „Partikularität“ Israels gegen einen angeblichen christlichen Universalismus ausspielten. Daraus wurden auch Folgerungen gezogen, Judenmission zu legitimieren, was die AG sich strikt verboten hatte.

Und doch kam es an diesem Punkt zu einem handfesten Streit: Es gab den Versuch, „Gesprächsmöglichkeiten“ zu prüfen, um jene aus ihrer  – so Adolf Freudenberg - „unrealistischen, lutherischen lutherischen Festung herauszulocken,“ die von der alleinigen Absolutheit des Christentums überzeugt sind und eigentlich den Juden diese christliche Botschaft meinen bringen zu müssen. Diese sollen nicht zur AG eingeladen werden, dort sahen sie nur eine „theologische Knochenerweichung“ gegenüber dem Judentum am Werk, so OKR Mehl vom „Evangeliumsdienst unter Israel“. Aber mit dieser Position müsse man sich auseinandersetzen, zumal sie unter Gemeinden und Theologen ja durchaus lebendig ist – wie die Debatte um Benedikt XVI Karfreitagsgebet zeigt.

Ernst Ludwig Ehrlich war mit Abba Geis, so der respektvoll-patriarchale Titel in der AG, für ihn, der Wortführer. Geis schreibt , er sei nicht nach Deutschland zurückgekehrt, um sich „mit Judenmissionaren und christlichen Antisemiten“ an einen Tisch zu setzen und Ehrlich sekundiert, und fragt „ob der Gollwitzer seine Pan-Israel-Liebe nur strapaziert einem schlechten Gewissen wegen der Theologie?“ Gollwitzer vertritt keine Judenmission, wohl aber will er sich die Möglichkeit eines gegenseitigen Zeugnisses im „gespalteten Gottesvolk“, wie in einem innerchristlichen Schisma, offen halten. Aber hat sich nicht abgesichert gegen eine Auffassung, die letztendlich die christliche Christologie auch für das jüdische Volk als richtungweisend hält. Schalom Ben Chorin versucht wie Gollwitzer den Konflikt unten zu halten. Er verweist darauf, dass auch er wegen seiner Teilnahme am Kirchentag kritisiert werde, er betreibe einen „Ausverkauf des Judentums“ schreibt er in Erinnerung an die christliche Kritik am Berliner Kirchentag, die vom Ausverkauf der Kirchengeschichte sprach. Die wunderbar lebendig geschriebene Geschichte der AG Juden und Christen von Gabriele Kammerer !In die Haare, in die Arme“ (Gütersloh 2001) bringt es mit einem Martin-Buber-Zitat auf den Punkt.

Es kommt zu einer Aussöhnung von Gollwitzer und Geis als den Exponenten der Streitfronten. Es gibt kein offizielles Gespräch mit den Kritikern der AG, wohl aber zu einzelnen innerchristlichen Gesprächen darüber: Was sind die Implikationen der verschiedenen christlichen Messias-Verständnisse im Verhältnis zu jüdischen, messianischen Auffassungen? Die Diskussion läuft noch, wenn auch durch die Arbeiten von Karl Thieme, Franz Mußner, F.-W. Marquardt, Paul van Buren, Peter von der Osten-Sacken oder Rolf Rendtorff entscheidende Beiträge geleistet wurden, dass die jüdischen Positionen von der „Unerlöstheit der Welt“ auf Augenhöhe mit den christlichen auf Seiten der Christen ernster genommen werden. Die im Jahr 2000 von unzähligen Rabbine4rn und jüdischen Gelehrten in der „New York Times“ veröffentlichte Erklärung „Dabru Emet“ nennt die bleibende Aufgabe: „Der nach menschlichem Ermessen unüberwindbare Unterschied zwischen Juden und Christen wird nicht eher ausgeräumt werden, bis Gott die gesamte Welt erlösen wird, wie es die Schrift prophezeit.“[13]  

Im übrigen zeigt sich ein ähnliches Muster der Auseinandersetzung in den Fragen des Nahostkonfliktes: Gehört es zur Aufgabe der AG auch Palästinenser zu Wort kommen zulassen und verlangt die eindeutige Solidarität mit dem Staat Israel nur das Jahrhunderte lang versäumte Hören auf die Stimmen Israels, des jüdischen Volkes endlich mehr Raum zu geben? Hinzu kam die Hinwendung zu Problemen des Friedens, der Homosexualität durch Bundespräsident Heinemann, der Erziehung – Fragen, in denen Juden und Christen gemeinsame Aufgaben in der Welt wahrzunehmen hätten. Als 1965 das zweite Vaticanum „Nostra Aetate“ veröffentlichte, war in der AG die Freude groß. Gertrud Luckner, Judenretterin und Herausgeberin des „Freiburger Rundbriefes“ und Pater Eckert wurden zu ihren Mitgliedern, später Hans Hermann Henrix.

Es gelang mit Hilfe von Richard von Weizsäcker und Eppler, den Kirchentagspräsidenten, dass Bibelarbeiten, konstitutiver Teil an jedem Morgen eines jeden Kirchentags von Juden und von Christen dialogisch gehalten werden. Edna Brocke war die erste in dieser Reihe, auch die erste Frau, die eine Bibelarbeit hielt und dieser Arbeit ein klares Profil gab.[14]

4. Herbert Strauß
Geb. in Berlin, Historiker an der New York City University, wurde 1982 nach Berlin berufen, um an der Technischen Universität Berlin das Zentrum für Antisemitismusforschung aufzubauen. 1990 wurde Wolfgang Benz sein Nachfolger.

5. Weitere MitarbeiterInnen ZB: Jiri Kosta, Prag; Schalom Ben Chorin, Jerusalem; Edna Brocke, Tel Aviv/Essen; Paul Holzer, London; Gabriele Reichmann, London; Eleonore Sterling, Frankfurt/M; Kurt Wilhelm, Stockholm; Micha Brumlik, Frankfurt/Berlin; Daniel Kempin; Günter Bernd Ginzel, Köln;

6. Christen Jüdischer Herkunft: Adolf Freudenberg; Dietrich Goldschmidt; Heinz David Leuner; Lili Simon

7.  ChristInnen:
Eberhardt Bethge; Dieter Goldschmidt; Barbara Just-Dahlmann; Peter von der Osten-Sacken; Friedrich-Wilhelm Marquardt; Propst Grüber; Helene Jacobs; Rolf Rendtorff; Klaus Wengst; Erica Küppers; Rudolf Weckerling.

Martin Stöhr, Jg. 1932, studierte Ev. Theologie und Soziologie; lanjähriger Direktor der Ev. Akademie Arnoldshain.
Von 965-1984 Ev. Vorsitzender des Deutschen Koordinierungsrates  (DKR) und
von  1990-1998 Präsident des International Council of Christians and Jews (ICCJ),
Der Beitrag ist die ausgearbeitete Fassung eines Vortrages auf der Studientagung
des Deutschen Koordinierungsrates der Gesellschaften für christlich-jüdische Zusammenarbeit
in Ludwigshafen am 12.-13. September 2014

ANMERKUNGEN

[1] Dietrich Bonhoeffer, Ethik, München 1949, S. 31 und 50.
[2] Vgl hierzu: Martin Stöhr, Die Schuldfrage in Kirche und Gesellschaft. Martin Niemöller – Wegweisendes und Widersprüchliches, In: Reinhard Höppner / Joachim Perels; Das verdrängte Erbe der Bekennenden Kirche. Stuttgart 2012, S. 100-130.
[3] Helmut Gollwitzer Skizzen eines Lebens. Gütersloh 1998, S. 107.
[4] Vgl die umfassende Studie: Wolfgang Gerlach, Als die Zeugen schwiegen. Bekennende Kirche und die Juden. Mit einem Vorwort von Eberhard Bethge. SKI Bd 10, Berlin 1987.
[5] Martin Stöhr / Klaus Würmell (Hg), Juden, Christen und die Ökumene. Adolf Freudenberg 1884-1994. Ein bemerkenswertes Leben. Frankfurt/M 1994; Siegfried Hermle, „Wo ist dein Bruder Israel?“. Die Impulse Adolf Freudenbergs zur Neubestimmung des christlich-jüdischen Verhältnisses nach 1945. In: Kirche und Israel 4/1989. .
[6] Adolf Freudenberg, Rettet sie doch!, Zürich 1969.
[7] Peter Raina (Hg), George Bischof Bell, Ökumeniker, Brückenbauer, Fürsprecher, Europäer. Wiesbaden-Berlin 2012.
[8] Vgl die Darstellung von Nehemiah Robinson, Universal Declaration oh Human Rights, New York 1950.
[9] Wegweisend wurde Adornos Vortrag „Erziehung nach Auschwitz“ vor der Mitgliederversammlung des DKR 1959, abgedruckt in: Theodor W. Adorno, Eingriffe. Neun kritische Modelle. Frankfurt/M 1963, S. 125-146.
[10] Dietrich Goldschmidt und Hans-Joachim, Kraus (Hg), Der ungekündigte Bund. Neue Begegnung von Juden und christlicher Gemeinde. Stuttgart 1962; Helmut Gollwitzer und Eleonore Sterling (Hg), Das gespaltene Gottesvolk. Stuttgart b1966. Eine lebendige Darstellung der Entstehung und Entwicklung der AG Juden und Christen gibt. Gabriele Kammerer, In die Haare, in die Arme. 40 Jahre Arbeitsgemeinschaft ‚Juden und Christen‘ beim Deutschen Evangelischen Kirchentag, Gütersloh 2001.
[11] Dokumentiert in: Wolf-Dieter Marsch und Karl Thieme (Hg) Christen und Juden. Vom Apostelkonzil bis heute. Mainz und Stuttgart 1961.
[12] Vgl die Dokumentationen der Kirchentage Dortmund 1963 und Köln 1965: Helmut Gollwitzer und Eleonore Sterling (Hg), Das gespaltene Gottesvolk, Stuutagt1966. Und: Juden und Christen im Dienst für den Frieden, mit Beiträgen von Robert Raphael Geis, Hans-Joachim Kraus, Eva Reichmann, Walter Dirks, Dietrich Goldschmidt, Erhard Eppler, Stuttgart und Berlin 1967. Und: Gerechtigkeit in Nahost, mit Beiträgen von Robert Raphael Geis, Moshe Tavor, Friedrich-Wilhelm Marquardt, Ali Hassan, Kurt Sontheimer, Stuttgart und Berlin 1969. Und: Peter von der Osten-Sacken und Martin Stöhr (Hg) Wegweisung. Jüdische und christliche Bibelarbeiten und Vorträge – 17. DEKT Berlin 1977. Und: (Diess), Glaube und Hoffnung nach Auschwitz. Jüdisch-christliche Dialoge, Vorträge, Diskussionen. Berlin 1980.
[13] Rainer Kampling, Michael Weinrich (Hg), Dabru Emet – redet Wahrheit. >Eine jüdische Herausforderung zum Dialog mit den Christen. Gütersloh 2003.
[14] Edna Brocke, Gerhard Bauer, Nicht im Himmel – nicht überm Meer. Jüdisch-christliche Dialoge zur Bibel. Neukirchen 1985.


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