Begrüßung zum ersten Treffen Bischöfe und Rabbinerkonferenzen

09. März 2006

Grußwort von Bischof Kardinal Lehmann, Deutsche Bischofskonferenz, zur ersten Begegnung "Kirchen und Rabbinerkonferenzen" am 09.03.2006 in Berlin


Sehr verehrte Rabbinerin, sehr geehrte Rabbiner in Deutschland, sehr geehrte Kardinäle und Bischöfe, sehr geehrte Förderer unserer Gesellschaften für christlich-jüdische Zusammenarbeit, namentlich begrüße ich dankend Herrn Ernst Cramer,
liebe Freunde der christlich-jüdischen Zusammenarbeit!

Im Land der Schoa, in Berlin, dem Ort der Wannsee-Konferenz im Jahr 1942 mit der entscheidenden Besprechung zur Klärung der Zuständigkeiten bei der „Endlösung der Judenfrage“, d.h. der Ausrottung der Juden im von Deutschen beherrschten Europa, 60 Jahre nach den unvorstellbaren und singulären Verbrechen vor allem an Jüdinnen und Juden durch den Nationalsozialismus – durch seine vielen, auch christlichen Helfershelfer - kam es heute Nachmittag zu einem erstmaligen, aufrichtigen und vertrauensvollen Gespräch zwischen den Rabbinern in Deutschland und dem offiziellen Vertreter des Vatikans, dem Präsidenten der Vatikanischen Kommission für die Religiösen Beziehungen zum Judentum, Kardinal Kasper, – unter Beteiligung u.a. vom Apostolischen Nuntius, Erzbischof Ender, von Kardinal Lehmann, dem Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, und Bischof Huber, dem Vorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland.

Die Grauen des Holocaust, erst die Grauen des Holocaust haben die Gewissen der Christen und christlichen Kirchen geweckt. So wurden 1948 auf Drängen der amerikanischen Sieger die ersten Gesellschaften für christlich-jüdische Zusammenarbeit in Berlin, Wiesbaden, Frankfurt, Stuttgart und München gegründet, die 1949 sich im Deutschen Koordinierungsrat zusammenschlossen. In vielen Erklärungen haben die evangelische und katholische Kirche ihr erneuertes Verhältnis zu den Juden reflektiert und formuliert. Fast mit gleichen Worten bekennen sie „die bleibende Erwählung des jüdischen Volkes als Gottesvolk“ (Synodalbeschluss der Evangelischen Kirche im Rheinland vom 11.1.1980) oder (so Papst Benedikt XVI. im August 2005 in Köln unter Berufung auf Röm 11,29): „Mit dem Apostel Paulus sind die Christen überzeugt, dass Gnade und Berufung, die Gott gewährt, unwiderruflich sind.“ Die jüdische Erklärung aus den USA „Dabru emet – Redet Wahrheit“ von September 2000, bis jetzt von über 300 Frauen und Männern der jüdischen Gelehrsamkeit und des synagogalen Lebens unterschrieben, stellt im Vorwort fest: „In den Jahrzehnten nach dem Holocaust hat sich die Christenheit [...] dramatisch verändert.“ Und: Es hat sich „ein dramatischer und unvorhersehbarer Wandel in den christlich-jüdischen Beziehungen vollzogen.“

Für solche Wahrnehmungen können wir Christen nur dankbar sein – im Wissen darum, dass es anders als in den USA hier in Deutschland aus meiner Sicht die dringlich erforderlichen theologischen Gespräche, die den Namen „Dialog“ wirklich verdienten, noch nicht oder erst in Ansätzen gibt. Wo sie zu theologischen Fragen geführt werden, bleiben sie auf christlich-jüdische Gesprächskreise und Kommissionen sowie auf die Gesellschaften für christlich-jüdische Zusammenarbeit in der Regel beschränkt. In die Pfarrgemeinden und in das Bewusstsein der einzelnen Christen ist das neue Bewusstsein kaum hingelangt. Die Schatten der Vergangenheit sind wohl noch zu lang, auch ist das Nichtwissen um die eigene christliche Identität wohl zu groß.

Um so dankbarer bin ich über das heutige Begegnungstreffen hier in Berlin. Mir ist die ehrenvolle Aufgabe zugefallen, Sie alle im Namen des Deutschen Koordinierungsrates der jetzt 83 Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit begrüßen zu dürfen. Ich freue mich, dass der DKR als eine Nichtkirchen-Organisation diese Begegnung initiieren und organisieren konnte.

Ich setze Ihr Verständnis und Einverständnis voraus, wenn ich nicht alle Ehrengäste aus den gesellschaftlichen, politischen und kirchlichen Gruppierungen und Gesprächskreisen namentlich begrüße, ebenso zähle ich auf das nachsichtige Einvernehmen der Theologen, wenn ich von der üblichen hierarchischen Reihenfolge abweiche, zumal wir Theologen von unserem Beruf bzw. unserer Berufung her zur Demut verpflichtet sind.

Daher begrüße ich als erstes angesichts der deutschen Geschichte und des noch zaghaften christlich-jüdischen Dialogs in Deutschland voll Dankbarkeit die anwesenden Rabbiner der Orthodoxen Rabbinerkon-ferenz Deutschlands sowie die Mitglieder der Allgemeinen Rabbinerkonferenz Deutschlands; beide Institutionen haben sich im März 2005 im Rabbinatskomitee Deutschlands zusammengeschlossen. Namentlich begrüße ich dessen Vorsitzenden, Rabbiner Dr. Henry Brandt, der seit 1985 auch der jüdische Präsident im Koordinierungsrat der Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit ist. Ebenso herzlich begrüße ich seinen Stellvertreter, Rabbiner Netanel Teitelbaum. Ihre Teilnahme und die große Zahl der 23 Rabbiner, die der Einladung gefolgt sind (am liebsten würde ich Sie alle gern namentlich begrüßen), ist für mich und den Vorstand des DKR keineswegs eine höfliche Selbstverständlichkeit. Herzlichen Dank und herzliches Willkommen! Baruch ha-ba!

Symbolische Gesten begleiteten bislang die Ansprachen vor allem in der römisch-katholischen Kirche. Ich erinnere an das große Schuldbekenntnis im Petersdom und an den Besuch von Papst Johannes Paul II. an der Westmauer in Jerusalem im März 2000. Rabbiner Teitelbaum ist es zu verdanken, dass er beim Besuch von Papst Benedikt XVI. im letzten August in der Kölner Synagoge durch das Blasen des Schofars die Feierlichkeit des Anlasses unterstreichen ließ als – wie er sagte – „ein Zeichen, ein Symbol des Friedens, der auf der Welt herrschen muss“. Ein Symbol von hoher Bedeutung war auch sein Handschlag als orthodoxer Rabbiner mit dem Papst, den er wie folgt verstanden wissen wollte: „Und diese Hand gebe ich Ihnen als Symbol des Friedens des jüdischen Volkes für alle Völker auf dieser Welt.“


Von jüdischer Seite begrüße ich ferner namentlich die stellvertretende Vorsitzende des Zentralrates der Juden in Deutschland, der politischen Interessenvertretung der Juden, Frau Knobloch, und den Generalsekretär, Herrn Kramer, sodann den Generalsekretär vom World Jewish Congress aus Brüssel, Herrn Maram Stern, und die Vertreter des American Jewish Committee.

Es ist dem Vorstand des DKR sodann eine große Freude, dass hoch-rangigste Vertreter der Evangelischen Kirche in Deutschland an der Begegnung heute Nachmittag und an dieser Vortragsveranstaltung teilnehmen. An ihrer Spitze begrüße ich den Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland, den Bischof der Ev. Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, Herrn Bischof Huber, der gleich ein Grußwort sprechen wird; außerdem begrüße ich den stellvertretenden Vorsitzenden der EKD, Herrn Landesbischof Kähler, die Vorsitzende des gemeinsamen Ausschusses „Christentum und Judentum“, Frau Schwinge, sowie Oberkirchenrat Gundlach, den Beauftragten für Judentumsfragen der EKD.

Auf katholischer Seite beginne ich den Kreis der zu Begrüßenden in konzentrischen Kreisen mit dem katholischen Ortsbischof von Berlin, Herrn Kardinal Sterzinsky. In Berlin beheimatet ist auch die Apostolische Nuntiatur des Vatikans; ich begrüße herzlich den Nuntius, Herrn Erzbischof Ender. Ich heiße den Präsidenten des Zentralrates der Deutschen Katholiken; Herrn Prof. Meyer, und die Mitglieder des Gesprächskreises „Juden und Christen“ beim ZdK herzlich willkommen. Auf das herzlichste begrüße ich den Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Herrn Kardinal Lehmann (auch er wird ein Grußwort sprechen), sodann heiße ich willkommen den Vorsitzenden der Kommission „Fragen des Judentums“ der DBK, Herrn Weihbischof Reger, sowie den Vorsitzenden der Ökumene-Kommission, Herrn Bischof Müller sowie die Herren Bischöfe Uhl, Wanke und Weider.
Im Namen des Deutschen Koordinierungsrates der Gesellschaften für christlich-jüdische Zusammenarbeit begrüße ich Sie alle ganz herzlich und danke Ihnen für Ihr Kommen!

Ein besonderer Dank- und Willkommensgruß gilt selbstverständlich unserem römischen Gast, Kardinal Walter Kasper. Ihn in Deutschland mit seinen vielfachen Aufgaben in der Orts- und Weltkirche vorzustellen, hieße Eulen nach Athen tragen. Die Wege unserer Vita haben sich in meiner Studienzeit in Tübingen und Münster und zu Beginn meiner Lehrtätigkeit des Öfteren gekreuzt. Noch während der langen Krankheit von Johannes Paul II. hat er als Vorsitzender der Vatikanischen Kommission für die Religiösen Beziehungen zum Judentum mit großem persönlichen Engagement international den Weg der Verständigung zwischen katholischer Kirche und Judentum von Johannes Paul II. fortgeführt und der Einladung zum heutigen Begegnungstreffen spontan zugestimmt. Der DKR dankt Ihnen ganz herzlich dafür.

Wenn Sie in Ihrer kirchlichen Funktion Deutschland besuchen, ist dies Ihr Heimatland, aber ein Land mit einer belasteten Geschichte. Gegen alle Behauptungen einer bruchlosen Kontinuität vor und nach Auschwitz stehen die hier anwesenden Jüdinnen und Juden. Wie immer der heutige Tag bewertet werden mag, für mich ist das Besondere an diesem Tag, dass er überhaupt stattfindet. Dieses Treffen heute ist ein bedeutender, erster Schritt der offiziellen Zusammenarbeit, wie sie seit nunmehr fast 60 Jahren auf Orts- und Bundes-Ebene in den Gesellschaften für christlich-jüdische Zusammenarbeit „in der Achtung vor den inneren Überzeugungen der einen und anderen“ (Johannes Paul II. am 13.4.1986 in der Großen Synagoge in Rom) versucht wird.